Oh Johnny – Was war da denn los?
Viele Köche verderben den Brei hat auch in Hollywood etwas Wahres: Denn wenn ein 375 Millionen US-Dollar – Film mit Starbesetzung und erfolgserprobtem Macherteam zum Jahresflop wird, hat das nicht nur einen Grund. Die Fluch der Karibik – Crew unter Produzent Jerry Bruckheimer und Regisseur Gore Verbinski zündet ein wahres Feuerwerk an überflüssigen Szenen und verwunderlich unpassend eingesetztem Action-Bombast – und schafft damit ein Werk für die ewigen Jagdgründe der Filmkunst.
Anfang der 2000er spitzten sich sämtliche Ohren, wenn ein neuer Film mit Johnny Depp angekündigt wurde. The Secret Window (2004), From Hell (2001) oder Blow (2001): Man wusste, woran man ist. Dann kam der Fluch der Karibik. Ein toller Film um den Seemannsmythos. Wie einst Harry Potter löste er einen Hype um ein Thema aus, das jeder kennt, bei dem das Ausreiz-Potential aber noch groß genug ist. Es kamen Teil 2 und 3. Man durchwälzte die Meere aus Legenden nach schönen Mythen zum Verwursten, stieß auf den Fliegenden Holländer und ließ ihn hochleben. Und dann kam Teil 4… Wir wissen, wie diese Geschichte endet. 2010 stolpert der ehemals strahlende Johnny Depp in The Tourist in Jack-Sparrow-Manier über Dächer, bis er schließlich als geschminkter Indianer in einem fünffach für die Goldene Himbeere nominierten Streifen auftaucht. Was ist hier passiert?
Wäre Lone Ranger ein Erstlingswerk, hätte man die Beteiligten wohl eher nicht wiedergesehen. Man hätte den Film als einen Versuch abgetan, Westerncomedy zu machen. Doch sobald einem bewusst wird, wer die Menschen sind, die hinter all dem aufdringlichen Trubel stecken, kann einem nur die Kinnlade herunterklappen.
Zugegeben, Musikmaestro Hans Zimmer kann wahrlich nichts dafür. Aber man würde doch gern wissen, was in den Köpfen von Bruckheimer (Pearl Harbour, Fluch der Karibik) und Verbinski (The Ring, Fluch der Karibik) vorging, als sie am Ende vor dem fertigen Produkt standen. „Das muss jetzt so raus“ vielleicht? Viel Geld war bis dahin über den Jordan gewandert, Disney hatte die Finger im Spiel. Und doch fehlte etwas.
Beginnen wir mit dem Inhalt: Ein kleiner Junge trifft auf einer Kirmes auf den alten Indianer Tonto, der ihm die wahre Geschichte des legendären Lone Ranger erzählt. Ab und zu springt man zwischen den Zeiten, wenn der alte Herr ein Detail unerklärt lässt oder der kleine Knirps einfach eine Nachfrage hat. Ein schönes Element, das im ersten Moment suggeriert, dass man einem Film mit einer gewissen Tiefe bevorsteht, die erklärt werden soll.
Die Hauptstory spielt dann in der Zeit des Eisenbahnbooms, als erstmals Gleise durch den Wilden Westen führen sollten. Anwalt John Reid reist in seine alte Heimatstadt, in der sein Bruder Dan inklusive Frau und Kind als Ranger lebt. Im gleichen Zug befinden sich allerdings auch Schwerverbrecher Butch Cavendish und eben Indianer Tonto, weshalb die Schicksale der drei nicht lange brauchen, um verknüpft zu werden. Das Problem der Stadt ist, dass es bezüglich des Schienenbaus eine Einigung mit einem Apachen-Stamm gibt, die aber eine Seite nicht einhält. Als es zu einem Überfall in den Bergen kommt, findet der Lone Ranger zu seinem wahren Schicksal – und wird zum Schützer der Gerechtigkeit.
Das Drehbuch mag keinen Preis für Originalität gewinnen, hier ist aber nicht der größte Fehler zu finden. Denn es gibt schon Momente, die einfach zu einem typischen Disney-Film passen. Ein leicht schusseliger Held im Wilden Westen, der mit der Hilfe eines kauzigen Indianers den Bösewichten ein Schnippchen schlägt – und manchmal im Eifer des Gefechts auch sich selbst. Doch während die Story so richtig ins Rollen kommt, überschlagen sich auf filmtechnischer Seite plötzlich die szenischen Elemente.
Kurz gesagt: Oft wird einfach mehr gewollt, als geht. Es ist zu bombastisch, zu viel auf einmal, viele Szenen hätten problemlos gekürzt werden können, ohne etwas von ihrem Sinn einzubüßen. Lustige Momente wirken leider in vielen Fällen zu geplant, wodurch sie unkomisch werden. Etwa, wenn mitten in einer Action-Szene der Sprung zu dem kleinen Jungen auf der Kirmes eingebracht wird, indem Tonto und sein Kumpane mitten in der Luft einfrieren und nur der geschminkte Indianer mit albernem Gesichtsausdruck seinen Blick in die Kamera dreht.
Zudem sind die Hauptfiguren einfach echte Unglücksraben. Sicher, es wäre schon lustig, wenn im gesamten Werk ein paar kleine Pech-Momente passieren. Man entschied sich aber für das Je-mehr-desto-besser-Prinzip. Auch ein Johnny Depp, der in den Fluch der Karibik – Teilen den überzeugenden Piraten-Clown mimte, kann mit so viel geballter Zwangs-Lustigkeit aus allen Ecken nichts mehr daraus machen.
Dieser Punkt begleitet einen durch den Film: Die Ernsthaftigkeit fehlt ab einem gewissen Punkt und verweigert ein Comeback. Obwohl die Storyline stellenweise trauriger ist, als die bisherige Beschreibung vermuten lässt. Allerdings wird die Stimmung nicht ausgenutzt, sondern gekontert; meist unzulänglich.
Im Laufe von 149 Western-Minuten, findet sich der Zuschauer dann plötzlich in einem rasanten Mega-Kampf wieder, in dem dann noch einmal alles rausgeholt wird, was noch an Effekten und verrückten Momenten übrig ist. Es ist nicht wichtig, dass hier zum Teil sehr unlogisch agiert wird. Dass nur noch Funken fliegen und man von Explosionen geblendet wird. Dass dies wohl jedem Zuschauer über 12 sofort ins Auge sticht, allerdings schon. Die Macher zeigen nicht, was sie eigentlich drauf haben. Das enttäuscht.
Daher ist es umso wichtiger, die Lichtblicke zu erwähnen. Helena Bonham Carter als Red sticht am meisten aus der Darsteller-Gruppe hervor, denn man weiß: Wenn alle Gags so gelungen wären, wie ihre, hätten wir krasses Material. Ganz subtil stichelt sie einen mit ihrer Spielart an und ja, man weiß genau, was im nächsten Moment passieren wird. Doch anders als beim armen Johnny freut man sich darauf. Und diese spannende Vorhersehung liebt man doch!
Das bedeutet natürlich nicht, dass die anderen schlecht spielen. Wir haben einen William Fichtner als bösen Schurken, einen James Badge Dale als aufrichtigen Ranger, der einen mit seiner Coolness schnell für sich gewinnt. Und letztendlich schneidet auch Armie Hammer trotz aller Überspitzung, von der – man muss es leider nochmal sagen – Johnny Depp deutlich schwerer loszulösen ist, gut ab. Aber vielleicht ist es auch kein Wunder, dass Brad Pitt und Ryan Gosling, denen die Rolle des Lone Rangers angeblich vorher angeboten wurde, abgelehnt haben.
Letztendlich bleibt uns die tolle Kulisse einer Western-Stadt mit schöner Musik, in der man sich ganz Wild-West-untypisch etwas weniger Action gewünscht hätte. Auch ein hochkarätiges Hollywood-Team kann Trash machen, ganz klar. Doch dieser muss erkenntlich sein. In all seiner Aufmachung wirkt Lone Ranger wie ein ernstgemeintes Projekt, das einfach übers Ziel hinausgeschossen ist. Fast irritiert nimmt man dann zur Kenntnis, dass Disney das Projekt zwischenzeitig sogar stoppte, da man nicht an einen Hit glaubte. Und wenn man am Ende dasitzt und versucht, einen Fazit zu ziehen, ist man leicht überfordert. Denn eigentlich möchte man diese tolle Crew gar nicht so anfeinden, wie man es stellenweise eben tun muss.