Schattenspiele – Der düstere Charme von Little Nightmares

Nächste Woche wird Bandai Namcos Rätsel-Adventure Little Nightmares seine Fortsetzung bekommen. Ein passender Moment, um das erste Abenteuer noch einmal Revue passieren zu lassen. Denn während Six in ihrem gelben Mäntelchen durch die düsteren Kulissen klettert, fangen uns die Schauermomente mit akzentuiertem Grusel ein – und ich freue mich auf mehr davon!

© Bandai Namco

Spoiler-Hinweis: Der zweite Teil des Textes bezieht sich auf die Handlung von Little Nightmares inkl. DLCs.

Zu Beginn muss ich ein Geständnis machen: Beim ersten Versuch hat Little Nightmares mich nicht packen können. Als ich auf dem Sofa vor mich hingruselte, scheiterte ich schlichtweg an einem versteckten Schalter, den ich in einem dunklen Zimmer mit herumliegenden Bällen und einer Spielzeugeisenbahn nicht entdecken konnte. Dass so etwas Simples die Lösung war, ärgerte mich damals irgendwie. Allein in diesem Raum gab es so viele spannende Rätselideen. Aber es wurde ein Schalter… und ich hatte ihn zigmal übersehen! Ich legte das Spiel also erst einmal zur Seite. Und das war gut so – denn beim zweiten Anlauf wusste ich die Stimmung sehr viel mehr zu schätzen.

Die Protagonistin von Little Nightmares ist ein Mädchen namens Six, dessen gelber Regenmantel ein regelrechter Lichtblick in der Finsternis ist. Es bewegt sich im sogenannten „Schlund“, aus dem es zu entkommen versucht. Allerdings ist Six viel kleiner als der Rest der Umgebung, was in zahlreichen Hindernissen und damit Rätseln für die SpielerInnen mündet. Die allumfassende Dunkelheit ist das Hauptelement des spielgewordenen Albtraums. Ganz ohne blutige Gore-Passagen setzt der Titel Ängste aus Kindertagen effektvoll um. Im Düsteren ertönen schaurige Geräusche, die mit dem leichten Schwanken der Umgebung für angenehme Gänsehaut sorgen. Die eigene Vorahnung spielt uns dabei Streiche. Brenzlig wird es vor allem dann, wenn auch noch menschenähnliche Gestalten auftauchen. Ein blinder Hausmeister mit überlangen Armen verfolgt jeden noch so kleinen Laut, um seine Beute an Fleischerhaken in eine Küche mit zwei abstoßenden Zwillingsköchen zu schicken. Und das sind nur zwei der Gefahren, denen Six entkommen muss. Ihre Befehle erhalten die grauenhaften Schergen offenbar von einer geheimnisvollen Frau in einem Kimono. Kämpfen kann man nicht, das einzig einsetzbare Utensil bleibt ein Feuerzeug. Dennoch ist das Spielprinzip recht simpel: ausloten, was die Spezialität der Feinde ist, und sich dann so unauffällig wie möglich durch die Szenarien wuseln. Dass der Stealth-Faktor bei Little Nightmares sehr groß ist, passt zum visuellen Katz-und-Maus-Spiel. Man muss diese Art zu spielen mögen, das ist klar – aus meiner Sicht machten die Perspektiven, die uns vor dem Bildschirm gegeben wurden, in Verbindung mit den finsteren Kulissen schon einiges her. Sie sind zwar nicht beweglich, das heißt, man muss sich auf die Winkel verlassen, die vorgegeben sind, aber genau das ist maßgeblich für die vorherrschende Stimmung. Ansonsten wären die Schattenspiele oder paralaxen Perspektivkniffe gar nicht möglich.

Six schleicht also durch insgesamt fünf Level mit düsterem Flair, in denen sie den Faktoren Einsamkeit, Dunkelheit und Verfolgung ausgesetzt ist. Der Soundtrack verbindet all das zu einem atmosphärischem Gesamtwerk und sorgt stellenweise auch für einige Minijumpscares. Allein beim Betrachten der kleinen Gestalt auf dem Bildschirm kann man erahnen, wie verloren Six sich gerade fühlen muss. Wenn dazu dann noch einer der Gnome durchs Bild huscht, macht das Herz einen kleinen Hüpfer – nicht nur, weil wir die kleinen Wesen im Laufe des Spiels sehr lieb gewinnen.

Six sieht sich in Little Nightmares einer großen, düsteren Welt gegenüber

Ergänzt wird die Haupthandlung von Little Nightmares durch insgesamt drei DLCs, die das Konzept weiterführen und vor allem wichtige Hintergrundinformationen aufzeigen. Diese sind nicht unwesentlich für die Stimmung des Spiels. Denn warum Six im Schlund ist, weiß man nicht. Verschiedene Andeutungen lassen vermuten, dass sie und andere Kinder offenbar dorthin verschleppt wurden. Immerhin würde sie nicht versuchen zu entkommen, wenn sie freiwillig dort wäre. Das Schwanken des Bildschirms wird erklärt, als der Spieler Six in einen Außenbereich führt. Wir befinden uns auf einem Schiff, das von fettleibigen Passagieren betreten wird. Die machen tatsächlich nicht viel Anderes als zu essen – und was, das hat im Grunde schon der Hinweis mit dem Hausmeister und den Köchen verraten. Wird man von den Zwillingen geschnappt, behandeln sie Six wie eine Zutat. Sie wird gekocht oder in einen Fisch gestopft, was bedeutet: das war’s.

Hunger haben aber nicht nur die Passagiere. Ein wiederkehrendes Element sind kleine Anfälle, die Six ereilen. Sie muss dann schnell Nahrung finden, vergreift sich zum Beispiel an einer Ratte oder – was mir ein bisschen das Herz gebrochen hat – auch an einem der Gnome, der ihr in besagter Szene eigentlich nur etwas zu Essen reichen wollte. Sobald sie sich gestärkt hat, lösen sich Schatten von ihr, die im Dunkel verschwinden.

Noch ärger wird diese Situation aber durch die Erklärung in den DLCs. Hier lernen wir einen Jungen kennen, der genau wie Six auf dem Schiff erwacht. Meistens wird er Seven oder einfach Kid genannt. Statt eines Feuerzeugs hat er eine Taschenlampe bei sich und springt, parallel zur Handlung mit Six, durch drei Level. Die Zusammenarbeit mit den Gnomen hat hier eine große Bedeutung. Nur gemeinsam geht es weiter. Dass man sie wie im Hauptspiel gewohnt einmal fest drücken muss, um sie zu seinen Mitstreitern zu machen, ist schon sehr herzig. Und dann gibt es da diesen einen Moment, in dem man noch vor Ende des DLCs das Rätsel um die Gnome lösen kann.

(Allerletzte Spoilerwarnung.)

Im Feuerschein eines großen Ofens steht Kid inmitten seiner neuen Freunde und macht in den Schatten das Geheimnis sichtbar. Die Wichtel sind allesamt Kinder wie er selbst. Wer diesen Moment erspäht, ahnt, was kommen muss. Die Dame im Kimono wird später auch unseren Protagonisten verwandeln. Warum wird nicht aufgelöst. Vielleicht braucht sie die Lebenskraft, um sich selbst jung zu halten. Immerhin bedauert sie immer wieder ihr Abbild in Spiegeln. Dass es sich um einen Energietransfer handelt, legt auch Six‘ späteres Verhalten nahe. Am Ende ihrer Story bewegt sie sich zerstörerisch über das Schiff und macht den Gästen den Gar aus.

Die dunklen Abbilder, die bei diesem ‚Aussaugen‘ entstehen, begegnen Kid übrigens auch. Er muss sich ihnen im Spielverlauf vor seiner Verwandlung stellen und das in einem Kampf, der zumindest mich einige Nerven gekostet hat. Damit ergänzen die DLCs die Haupthandlung von Little Nightmares mit erleuchtenden Hintergrundinformationen.

Die Atmosphäre ist die Königin in diesem Horror-Adventure und hat mich, nachdem ich einmal voll reingekippt war, ein paar technisch hakelige Stellen nachsichtiger behandeln lassen. Die persönliche Frage ist ja auch immer, wie perfekt ein Spiel für einen überhaupt sein muss. Was ich wollte, habe ich bekommen: ein einerseits niedliches, aber andererseits auch schauriges Rätsel-Jump `n` Run. Kurzweilig, aber aufgrund seiner gut konstruierte Geschichte trotzdem etwas, an dem ich gern wieder ansetze.

Welche Little Nightmares SpielerInnen als Nächstes bevorstehen, werden wir ab dem 11. Februar erfahren. Technisch soll an den kleinen Ungenauigkeiten gearbeitet worden sein, der Weg der kleinen PrtagonistInnen führt uns diesmal in eine beklemmende Außenwelt. Was bereits verkündet wurde, ist außerdem ein neuer Protagonist: Der Junge Mono wird unter Six‘ Leitung die Reise zu einem mysteriösen Turm antreten, um das Mädchen vor seinem dunklen Schicksal zu retten. Neue Gegner wie ein blutrünstiger Jäger und eine sadistische Lehrerin sind bereit, sich den Spielern in den Weg zu stellen. Könnt ihr das Böse aufhalten? Ich werde es auf jeden Fall versuchen!

© Bandai Namco