The (Live-) Arising
Rotes Haar, eine sanfte Stimme, klare Worte und eine ganz besondere Atmosphäre. Wer jetzt an den internationalen Vorzeige-Popstar Ed Sheeran denkt, der darf auch ruhig einen Gedanken an das deutsche Musikfeld verwenden. Denn im Jahr 2012 brachte das Casting-Format „The Voice“ einen jungen Mann in die heimischen Wohnzimmer, der eben diese Eigenschaften besitzt. Michael Schulte belegte im Finale den dritten Platz und veröffentlichte im letzten Oktober sein aktuelles Album „The Arising“. Fazit: Der Flensburger weiß, wie eine Pop-Platte auszusehen hat. Live wurde daraus eine der Top-Shows 2014.
„Ich wurde gefragt: ‚Schulte, wo würdest du gern deinen Tour-Abschluss spielen?‘ Und ich sagte: Hamburg. Das ist so eine geile Stadt!“ Die Liebe an diesem Abend entspringt eindeutig beiden Seiten. Während das vollgestopfte Knust gebannt Michael Schulte und seiner Band lauscht, gibt diese neben ihren Songs Anekdoten zum Besten. Hauptsächlich über ihren geplanten Umzug in die Hansestadt. „Wir haben auch eine Whatsapp-Gruppe mit dem Betreff ‚Hamburg 2015′“, verraten die Jungs und genießen sichtbar den zustimmenden Jubel. Coole Hamburger Künstler kann man schließlich nie genug haben. Vor allem, wenn sie solch eine Leistung abliefern.

Schulte wirkt eigentlich nicht wie die typische Rampensau. Bescheiden steht er mit seiner Gitarre in der Hand auf der Bühne, lächelt freundlich, scherzt mit seinen Kumpels. Doch kaum geht es daran, den nächsten Titel zu performen, fällt die zurückhaltende Hülle. Mit Power und einer unglaublichen Souveränität, die man im ersten Moment gar nicht erwartet, schallen den hingerissenen Zuschauern nicht nur die Songs des Albums „The Arising“ entgegen, ab und zu schummeln sich auch Ausschnitte von Outkast oder – da haben wir ihn wieder – Ed Sheeran dazwischen. Hier und da sieht man beeindrucktes Kopfschütteln, das von einem seligen Lächeln begleitet wird. Jeder Ton sitzt. Und wenn Schulte sein Publikum animiert, mitzusingen, hat man beinahe Angst, sich selbst in der Masse vor diesem talentierten Künstler zu blamieren.

Man fühlt sich wie bei dem Auftritt einer Schülerband, bei der man immer wieder verwundert ist, wie gut sie spielt. Diesen Eindruck verstärken nicht zuletzt die vielen jungen Zuschauer, die einem tatkräftig ins Ohr grölen. Mama steht in vielen Fällen in der Nähe, offenbar nicht nur als Aufpasserin. Die Songs sind intensiv und gefühlvoll, was Schulte und seine Band aber nicht davon abhält, zwischendurch richtig abzurocken. Manch einer mag vielleicht sagen, dass die oft beschworenen Ecken und Kanten fehlen. Doch spätestens nach diesem Auftritt ist klar, dass es die gar nicht braucht, um die Songs vom Einheitsbrei der Pop-Welt abzuheben. Schulte präsentiert sein Album ganz puristisch. So, wie es eben ist. Dass seine Stimme live noch viel mehr hergibt, als die Platte vermuten lässt, setzt nur noch die Krone auf die erfolgreiche Umsetzung eines Konzertabends. The Arising ist nicht nur der Titel seines Albums, sondern auch gleichzeitig Programm auf der Bühne.

Am Ende strömen sowohl 14-Jährige als auch Mittfünfziger mit ihren Kameras zum Merch-Stand, an dem der Sänger mit Engelsgeduld eine Fotosession nach der anderen mitmacht. Strahlende Augen verlassen den kleinen Klub und draußen unterhalten sich alle über den „grandiosen Auftritt“. Michael selbst gibt sich gelassen. „Hoffentlich komme ich gut dabei weg, wenn du über heute Abend schreibst“, sagt er und sieht dabei gar nicht aus, als wollte er einen Scherz machen. Ob er eigentlich weiß, wie sein Auftritt heute Abend war? Die Herzen seiner Hamburger Fans hat er in jedem Fall im Sturm erobert. Und sollte das WG-Leben so locker und entspannt wie das Konzert selbst sein, steht einem Umzug nichts mehr im Wege.