Das schwarze Miniaturwunderland
Über 25 Bands auf drei Bühnen in einer eher ungewöhnlichen Location. Wer bei Festivals ausschließlich an die Sommerzeit denkt, sollte sich langsam mit einer Begriffserweiterung anfreunden. Zum zweiten Mal fand im November das Indoor-Festival Metal Hammer Paradise im Hotel Weissenhäuser Strand statt und verwandelte die beschauliche Anlage in ein Meer aus schwarzen Shirts und Kutten. Eine gute Möglichkeit, die abgeschlossene Festival-Saison auch Ende des Jahres noch einmal hochleben zu lassen!

„Von wegen! Es ist Winter und du gehst auf ein Festival!“ Meine Freunde waren sichtlich vewirrt, als sie eine gemeinsame Unternehmung planten und ich mit der Begründung absagte, ich würde ein Festival besuchen. Klar: Von Sonnenschein und Camping-Stimmung war schon lange nichts mehr zu spüren. Schließlich bahnte sich das dritte November-Wochenende an. Doch ich meinte es ernst! Nach dem von vielen Seiten als enttäuscht zur Kenntnis genommenen Wackener Lineup in diesem Jahr und viel zu wenig Gelegenheiten, sich auf einem Konzertmarathon auszutoben, wollten wir uns unbedingt mal anschauen, wie es denn Indoor so abgehen kann. Am Morgen des 15. November brachen wir also in aller Frühe zum Wellness-Ressort auf.

Das Hotel Weissenhäuser Strand liegt direkt an der Ostsee. Es gibt ein Dschungelland und ein Hallen-Badeparadies, die Location scheint geradezu geeignet für einen gemütlichen Familienurlaub. Doch was hier an diesem Wochenende zum zweiten Metal Hammer Paradise zusammentrifft, hat eher wenig mit einer Kinderparty zu tun.
Nachdem wir unsere Bändchen an der ‚Rezeption‘ abgeholt hatten, wurde als erstes eine Location-Begehung eingeplant. Dabei umströmte uns eine gut gelaunte, entspannt flanierende Masse aus schwarzbekleideten Menschen. Hektik? Von wegen! Schließlich zählt der Weissenhäsuer Strand als Erholungsort. Und das war er offenbar auch für die zahlreichen Metalheads.

Die Tour endete ziemlich rasch vor einem hauseigenen Edeka-Markt. Festival-Gänger wissen, wie wertvoll ein einfacher Supermarkt auf solch einer Veranstaltung sein kann. Und dass dieser so zentral liegt, ist für alle Gäste schlichtweg ideal. Was Eyecatcher angeht kommen die überfüllten und groß ausstaffierten Sommer-Festivals natürlich besser weg, allein der Masse wegen. Dafür zählt auf dem MHP eher die Exklusivität.
Der Metal-Markt bietet eine feine, tagesaktuelle Auswahl. Eine Fressbude mit Currywurst und Pommes und das integrierte Bistro, das für gutes Geld ausreichende Fastfood-Portionen anbietet, erleichtern auch den Kochfaulen die Nahrungsaufnahme.
Es geht hier einfach deutlich relaxter zu! Und wir lernten die Unaufgeregtheit schnell lieben. Im winterlichen Murmeltiermodus war es mehr als angenehm, einfach mal einen ruhiger Spaziergang am Wasser zu unternehmen oder sich zwischen Hotelmauern und Bungalows umzusehen. Auch, wenn man sich daran gewöhnen muss, verschiedenste Metal-Klänge aus minimalisierten Einfamilienhäusern schallen zu hören. Das hier ist Metal Town mit echten Wohnungen!
Doch der Grund unserer Ankunft war nicht die Reise ins schwarze Miniaturwunderland. Wir wollten Musik! Und so vertrieben wir uns die Zeit bis zum ersten Konzert am Nachmittag zwischen relaxenden Metalheads. Wie bei jedem Festivalbeginn galt es zuerst, die Wege zu den Bühnen abzuchecken, die in diesem Fall zu drei Zielen führten:
Der Maximum Metal Stage als Hauptbühne, die in Form eines großen Zelts vor dem Hotel lag
Dem Baltic Ballroom direkt innerhalb der Anlage
Und dem Riff Rondell, das in einem kleinen Klubhaus auf dem Gelände untergebracht war.
Als der eröffnende Samstags-Auftritt kurz bevorstand, kamen die Menschen langsam in Bewegung, ein Strom zog in Richtung des Baltic Ballroom davon.
Das kleine Turmzimmer fasst einige hundert Menschen und sorgt für echte Clubatmosphäre. Unser musikalisches Hauptziel folgte direkt auf Mob Rules: Die coolen Isländer von Sólstafir!
Da die Jungs keine Headliner waren, spielten sie nur etwa eine halbe Stunde. Leider! Denn wer die Psychedelic-Post-Metaler kennt, weiß, dass die es live echt drauf haben. Doch der Zeitplan ist eng. Schließlich spielen allein an diesem Samstag 17 Bands auf drei Bühnen.
Besonders eindrucksvoll türmte sich natürlich das Herz der Veranstaltung auf: Die Maximum Metal Stage. Hier gab es die Headliner des Festivals zu sehen. Wir trafen zufällig einige Bekannte – die Welt ist halt doch ein Dorf – und als diese uns fragten, ob wir nicht mit zu Powerwolf wollten, sagten wir natürlich nicht Nein.
Hier erlebte ich das Highlight meines Festivaltages! Mit ihrem kitschig durchkonzipierten Power-Metal mit Opera-Note und einer tollen Live-Darbietung zeigten die Saarbrückener genau das, was man auf einem Festival sehen will.
Trotz der fortgeschrittenen Zeit war der Tag aber noch nicht vorbei. Es gab schließlich noch eine dritte Bühne zu erkunden!
Das sogenannte Riff Rondell erhielt von uns direkt den Namen Golfklub. Hier gab es gefühlt weniger Platz als im Turmzimmer, die rustikalere Aufmachung brachte aber einen komplett anderen Flair mit sich. Bombus erwartete uns hier als letzte Band des Tages. Die Schweden spielten klassischen Heavy Metal und schafften es, trotz bereits sechsjährigem Bandbestehen noch etwas Newcomer-Stimmung aufkommen zu lassen: In Deutschland zu spielen machte sie ziemlich stolz.
Bei diesem Auftritt trafen wir auch unsere Fahrerin wieder, die wir am Vortag kurzfristig über einen Fahrgemeinschafts-Dienst fanden. Sie war schon 2013 auf dem Festival und sprach in höchsten Tönen davon. Nach einem ereignisreichen Tag konnten wir dies bestätigen.
Ein Indoor-Festival ist trotz seiner Beschaffenheit schwer mit einem Sommer-Event zu vergleichen. Lohnen tut es sich aber in jedem Fall! Der beste Grund dafür ist gleichzeitig das Alleinstellungsmerkmal des Metal Hammer Paradise: Wo sonst bekommt man die Möglichkeit, so viele Metal-Bands nach dem Ende der eigentlichen Festival-Saison live und auf einem Haufen zu erleben?
Die gewählte Anlage bietet den perfekten Rahmen für Konzerte + Zusatzprogramm, das unter anderem aus Workshops, Lesungen oder auch Wellness besteht, wenn man denn die Vorzüge des Ressorts genießen möchte.
Definitiv eine gelungene Abwechslung zu sommerlichen Massenmagneten!
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