Businessmeeting mal anders
Eulen sind weise. Das meinten schon die alten Griechen und verpassten Athene, der Göttin der Weisheit, daher eine solche als tierisches Sinnbild. Doch abseits dieser mythologischen Zuordnung können die Vögel noch viel mehr, wie ich erst vor Kurzem bei einem Businessmeeting der besonderen Art feststellen durfte. Gemeinsam mit anderen, viel arbeitenden Großstädtern war ich beim Eulenkuscheln dabei – und bin noch immer ganz hingerissen.
Fast 600 Leute haben sie schon auf Facebook entdeckt: Die Seeleneulen. Wer die Seite besucht, macht bereits im Header Bekanntschaft mit einer von ihnen: Mumbles. Chaco Waldkauz, knapp eineinhalb Jahre alt, mit großen Kulleraugen gesegnet und ein quicklebendiges Kerlchen, wie ich feststellte, als ich ihn letztens hautnah erleben durfte.
Eulenfans mögen sich nun mit einem Seufzen fragen, wie ich zu dieser Möglichkeit gekommen bin. Es begann damit, dass eine Seiteneinladung in mein virtuelles Postfach flatterte. Beim Namen des zugehörigen Projektes und den ersten Bildern von Mumbles und seinen Freunden musste ich natürlich nicht lang fackeln und schloss mich der Community an. Ich erfuhr, dass es insgesamt neun zahme Therapievögel gibt, die zusammen das Gespann der Seeleneulen bilden. Von Therapiehunden oder sogar -delfinen hat sicher schon jeder gehört und wer in schweren Momenten ein Tier an seiner Seite hatte, weiß um deren heilende Wirkung. Von Therapieeulen hingegen hörte ich selber aber zum ersten Mal – also musste die Urheberin der Nachricht mir helfen.
Vero und ich kennen uns nun schon einige Jahre und dass sie keine eigene Falknerei leitet, wusste ich recht sicher. Was ich bis dahin aber nicht wusste war, dass sie vor Kurzem gemeinsam mit ihrem guten Bekannten Tom Rusdorf den Social Media Auftritt der Seeleneulen aufgesetzt hatte.
Tom ist der Eulenpapa der gefiederten Truppe und hat sein Projekt vor etwa drei Jahren auf die Beine gestellt. Mit seinen Schützlingen besucht er vor allem caritative Einrichtungen wie Hospize und Altersheime, ist aber auch auf Firmenfesten und anderen privaten Veranstaltungen wie Hochzeiten und Jubiläumsfeiern unterwegs. Jeder Einsatz wird dabei individuell bepreist, um sich der Natur der Anfragen anpassen zu können. Voraussetzung ist lediglich, dass die Location für Tom und seine Begleiter von ihrem Heimatort Lienen, in der Nähe von Münster, einfach zu erreichen ist.
Als wir uns in Hamburg trafen, handelte es sich um eine Art besonderen Geschäftstermin, den Vero für uns organisiert hatte. Die Frage war: Helfen die Eulen auch beim Stressabbau nach einem nervenaufreibenden Arbeitstag?
Ich denke, wir Teilnehmer waren uns an diesem Abend alle einig: Oh ja!
Ich weiß gar nicht, wie ich mir den Kontakt mit einer Eule vorgestellt habe, bevor ich eine auf dem Arm hatte. Zugegeben habe ich mich gefragt, wie nah man herangehen kann, ob sie nach etwas riechen, wie weich das Gefieder wohl ist. Aber bisher gab es auch kaum Gelegenheit, diese Gedanken weiterzuspinnen.
Wie vermutlich fast jedes Kind meiner Generation habe ich Harry Potter geliebt und da ich nie einen Brief aus Hogwarts erhalten habe, musste ich bis jetzt auf meine erste Eulenbegegnung warten. Dass Schneeeule Tjure dabei war, ließ mich beim Hereinkommen daher besonders staunen. Er war nicht nur der größte Vogel an diesem Tag, er brachte auch eine Lektion mit sich. „Die Hedwig aus den Filmen ist ein Männchen“, erklärte Tom mir. Pures Entsetzen meinerseits.
Dieser Umstand war aber schnell vergessen. Ich war der erste Gast an diesem Tag und Tom setzte mir sofort eine Eule auf den Arm. Foofoo. Sie ist ein Brillenkauz und übrigens Mumbles WG-Mitbewohnerin. Wir sahen uns erst einmal mit großen Augen an – wobei ich zugeben muss, dass Foofoo den Größenvergleich gewonnen hat – und man sagte mir, ich solle sie hinten am Kopf zu kraulen, dann würde sie sich langsam eingewöhnen. Vermutlich war ich da etwas zu zaghaft, denn die Eule stellte eine Art Kamm auf und machte das, was Eulen so gut können: Gucken. „Machst du wieder die Harpie?“ Aha, eine kleine Zicke also. Da waren wir schon zwei und kamen entsprechend recht schnell miteinander aus.
Eulen sind erstaunlich weich. Wenn man tiefer ins Gefieder greift, spürt man natürlich die Spulen, den unteren Teil des Kiels, und mit den scharfen Krallen muss man sich zum eigenen Schutz arrangieren. Aber dafür gibt es ja die Falknerhandschuhe. Unter den fünf Vögeln, die an diesem Abend vor Ort waren, gab es zwei, die gern mal an den Fingern der Beteiligten knabberten, „um zu schauen, was da eigentlich vor ihrem Schnabel vor sich geht.“ Tjure stellte sich außerdem als echter Krawallmacher heraus. Wer dachte, dass Eulen nur schuhuen, der irrt sich. Manchmal zwitscherte er in den höchsten Höhen vor sich hin, manchmal krähte er eher. Foofoo hingegen fauchte nur zwei Mal oder klackerte fordern mit dem Schnabel. Da hatte ich wohl gerade mit Instagram zu tun. Entschuldige, Foofoo…
Eigentlich hatte ich nicht erwartet, dass das Streicheln einer Eule einen anderen Effekt auf mich hat als der Kontakt mit einem ’normalen‘ Haustier. Wenn ich, manchmal auch recht spät, von der Arbeit komme, wartet meine Katzendame auf mich. Sie wuselt dann um mich herum, schnurrt wie verrückt, fordert ihr Futter und erzählt mir (kein Witz) von ihrem Tag. Foofoo tat gar nichts davon. Foofoo war einfach da.
Und das war ein wirklich tolles Gefühl. Man hat dieses Tier auf dem Arm, das man noch nie zuvor aus dieser Nähe betrachten konnte. Es sieht fast majestätisch aus, wenn die Eulen sich aufrichten und ihre Beobachtung beobachten. Und man kann so viel lernen, wenn man die Vögel mustert und Tom beim Erzählen zuhört. Eine wirklich eindrucksvolle Erfahrung.
Foofoo saß ungefähr vier Stunden auf meinem Arm. Zwischendurch war sie so entspannt, dass sie ihr Köpfchen vorn auf dem Handschuh ablegte, die Augen schloss und den Flügel gegenüber der kraulenden Hand einfach runterhängen ließ. Unter den anderen Eulenkuschlern wurden schon Gerüchte laut, ich hätte sie kaputt gekrault! (PS: Kein Tier ist zu schaden gekommen, ganz im Gegenteil.)
Aber diese Hingabe entspannte mich auch. Ich war so andächtig und der Ärger des Tages, den es davor tatsächlich gegeben hatte, war verflogen. Ich war nicht die Einzige, der es so ging. In unserer Runde gab es schon kurz nach der Ankunft nur noch lächelnde, interessierte Gesichter. Vermutlich fiel es niemandem leicht, seine Eule wieder abzugeben. Aber die kleinen Seelentröster müssen natürlich wieder mit Tom auf Reisen gehen. Wenn man ihm bei seinen Geschichten über frühere Einsätze zuhört, ist das oft schön, manchmal traurig, vor allem aber herzerwärmend. Dass seine Eulen ein solches Gespür für das menschliche Leid haben, ist schlichtweg beeindruckend.
Warum genau die Seeleneulen so gern kuscheln, lässt sich übrigens nicht sicher sagen. Normalerweise wären Eulen wohl ziemliche Einzelgänger. Aber Theorien dazu hat Tom natürlich schon. Vielleicht kann er sie euch erzählen, wenn ihr selbst einmal die Seeleneulen trefft.

Die Seeleneulen haben neben ihrer Facebookseite auch eine offizielle Website, auf der ihr euch bisherige Projekte und auch die einzelnen Therapievögel genau anschauen könnt: http://www.seeleneulen.de/
Den Beitrag von Sat.1 regional findet ihr hier: https://www.sat1regional.de/warum-gestresste-grossstaedter-in-hamburg-mit-eulen-kuscheln/