Steel Panther am 30. Januar im Mehr! Theater

Helden in Strumpfhosen – Willkommen im Hair-Metal-Zirkus!

Glam Rock und Hair Metal – sind das nicht Relikte aus der längst vergessenen Zeit von Spandexhosen, Haarspray, Lockenwicklern und Haarperücken? Einer Zeit, die heute oft nur noch belächelt wird? Ja und nein, denn wer einmal einem Konzert der Partyband Steel Panther beiwohnt, kann einen guten Eindruck davon bekommen, was auf den Bühnen der 1980er eventuell so vor sich ging. Obszönitäten nicht ausgeschlossen.

4978_14309
Photo by: David Jackson

Motivierte Metalheads reihen sich an verkleidete 80er Fans als das Mehr! Theater Ende Janaur zur großen Partysause bittet. Zum Vorglühen pünktlich um 20 Uhr steht Supportact Fozzy bereit. Die geübten Einheizer zücken neben Perücke und Stirnband auch noch einen LED-besetzten Anzug für Frontmann Chris Jericho und ein ABBA-Metal-Cover, was dem Publikum einen guten Start in den Abend ermöglicht, bevor die Showmaster die Bühne betreten.

Fest steht: Falsche Gründungsmythen stehen bei diesem Konzert hoch im Kurs. Während Fozzy uns gern glauben lassen, dass sie 20 Jahre lang in Japan gefangen waren und ihre größten Hits, die irgendwie das Land verlassen konnten, derweil von Iron Maiden & Co. stibitzt wurden, traten Steel Panther den selbstkreierten Geschichten nach seit Ende der 1980er in Las Vegas auf, bis sie wiederentdeckt wurden. Den übertriebenen Outfits und dem Vibe der damaligen Zeit treu geblieben, nehmen die vier Kalifornier viele Klischees des Genres gekonnt auf die Schippe. Dafür sprechen auch Songtexte wie: „Cause my heart belongs to you / My love is pure and true / My heart belongs to you / But my cock is community property“, dahingeschmachtet zu Klängen, die tatsächlich auch eine echte Rockballade sein könnten.

Das richtige Niveau ist schnell erreicht, als Leadgitarrist Satchel die Besucher der fast ausverkauften Halle mit „Hello Spermburg!“ und „Isch habe einen Stander!“ begrüßt. Dass das Ganze eine Parodie ist, ist eigentlich offensichtlich, wird aber nie aufgelöst, und der Zuschauermenge gefällt es offensichtlich. Der Lobgesang auf die 1980er startet mit Songs des aktuellen, vierten Longplayers Lower The Bar, technisch äußerst sicher und gekonnt vorgetragen.

Die Performance der Band stimmt: Die beiden Frontmänner Michael Starr (Leadgesang) und Satchel (Leadgitarre, Gesang) sind gut drauf und unterhalten das Publikum auch zwischen den Songs mit minutenlangen, aber kurzweiligen Gesprächen über die Reeperbahn, die Schönheit der anwesenden weiblichen Konzertbesucher oder den Verkaufszahlen des aktuellen Albums. Und auch wenn die Dialoge und Rufe ins Publikum sich thematisch nicht besonders von den Songtexten abheben, unterhält es. Vor allem in Zeiten, in denen es nicht für jede Band selbstverständlich ist, mit ihrem Publikum zu interagieren.

Die Routine ist der Band anzumerken: Gefühlt ist es der zehnte Auftritt in Hamburg in den letzten fünf Jahren, aber Spaß hat sie trotzdem dabei. Diese Truppe ist für die Bühne geboren und mit ihrer Mischung aus schlüpfrigen Sexwitzen, guten Glam-Metal-Songs mit expliziten Songtexten und altbekannten Showeinlagen haben sie die Zuschauer während des ganzen, knapp 100minütigen Sets komplett im Griff.

Eine dieser Showeinlagen etwa ist das spontan angestimmte Liebeslied auf eine im Vorfeld ausgesuchte weibliche Konzertbesucherin, in diesem Fall mit dem Namen Julia, die auf die Bühne geholt wird – jedes Bandmitglied interpretiert den Song anders und mit unterschiedlichem, natürlich unter die Gürtellinie gehendem Wortwitz. Fangirl Julia fühlt sich natürlich geehrt, genau wie die etwa 30 Zuschauerinnen, die zum Song „17 Girls In A Row“ auf die Bühne gelassen werden und ausgelassen mitfeiern und -singen.

Das alles ist solides Entertainment. Dennoch ist ein Steel Panther-Konzert ein bisschen wie der wiederholte Konsum immer derselben Folge einer Sitcom: Der Witz nutzt sich einfach ab, egal wie gut die Folge ist. Abnutzungserscheinungen zeigt etwa auch das aktuelle Album Lower The Bar: technisch hervorragend und grundsolide, aber die großen Hits fehlen. Den meisten Anklang aus diesem Longplayer findet noch der Song „That’s When You Came In And Blew Me (Away)“, doch die Klassiker wie „Party All Day“, „Asian Hooker“ und der unvermeidliche Abräumer „Community Property“ finden mit Abstand den meisten Beifall im Mehr! Theater.

Festzuhalten ist aber in jedem Fall, dass Steel Panther nicht einfach puren Klamauk veranstalten. Der Band ist die Liebe zur großen Glam- und Hair-Metal-Zeit jederzeit anzumerken und sie performt handwerklich meisterhaft und mit großer Entertainment-Gabe schlichtweg zu gut, als dass das Ganze als Quatsch abgetan werden kann. Vielleicht hilft ein Vergleich mit der von der Band so verehrten Reeperbahn: Das Konzert ist eine geschmacklos-schlüpfrige Zirkusshow mit ganz viel Humor unterhalb der Gürtellinie. Gleichzeitig aber veranstaltet diese Band immer noch die großartigste Glam-Metal-Party mit dem Esprit der glorreichen 80er, die man derzeit feiern kann.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..