Auf der Sonnenseite des Heavy Metal
Was für ein Festival-Wochenende. Während in Dinkelsbühl das Summerbreeze ausgeklungen ist, bot Hamburg Musikfans am dritten Augustwochenende gleich zwei Veranstaltungen, auf denen zu harten Klängen ausgelassen gefeiert werden konnte.
Das Elbriot auf dem Hamburger Großmarktgelände fand in diesem Jahr erstmal an zwei Tagen statt. Während insgesamt zwölf Bands auf der Open Air-Bühne ihr Können zeigten, tummelten sich die Besucher bei Sonnenschein auf dem übersichtlichen Gelände. Das Elbriot zeigt: Es braucht nicht immer von allem mehr und mehr, um ein gelungenes Konzert-Erlebnis auf die Beine zu stellen.

Die ansässigen Büroangestellten staunten nicht schlecht, als sich am Freitag zwischen 15 und 16 Uhr die erste dunkle Menschenmenge vom Hauptbahnhof zum Großmarktgelände schlängelte. Bei strahlendem Sonnenschein und großer Vorfreude war der Einlass schnell überwunden. Die Besucher verteilten sich rasch über das Open Air Gelände und erstaunten dadurch vor allem diejenigen, die sonst auf größeren Festivals unterwegs sind: Für die ersten Stunden wirkte es fast ein bisschen leer auf dem Asphalt, bei dem zum Glück – vor allem mit Gedanken an das diesjährige Rock am Ring, Hurricane und das zum zweiten Mal in Folge mehr als sonst gebeutelte Wacken – keine Schlammgefahr durch mögliche Hamburger Wetterumschwünge bestand.

Tag 1 des Elbriot errang den Namen Spaß- oder Partytag unter den Besuchern. Mit Steel Panther und Powerwolf würden sich am Abend gleich zwei Bands auf der Festivalbühne einfinden, die für ihren extravaganten Modegeschmack und klischeebeladene Shows bekannt sind, gefolgt vom Headliner Sabaton, deren Bandmitglieder in ihren Army-Hosen ja auch irgendwie in diese Kategorie gehören. Eröffnet wurde das Festival aber von den Ur-Thrashern Testament, bei denen wir uns wirklich wunderten, dass sie ausgerechnet den ersten Slot besetzten. Doch Zuschauermenge hin oder her: Sänger Chuck Billy fegte mit seinem obligatorischen Minimikrohalter über die Bühne und legte mit seiner Band einen gelungenen Auftakt voller Hits der nunmehr über 30-jährigen Karriere hin.
Anschließend folgten wie bereits erwähnt Steel Panther. Die Bezeichnung Spaßband rührt allein daher, dass die schrill gekleideten Hair-Metaler jedes Mal die wohl unsinnigsten Songüberleitungen aller Zeiten von sich geben. Es geht um Sex, Drugs & Rock’n’Roll – auch visuell, wenn bei jedem Auftritt die anwesenden Damen dazu aufgefordert werden, auf der Bühne mit den Hüften zu schwingen und dabei am besten noch die Brüste auszupacken. Eine macht es immer. Und jedes Mal reichen die Emotionen im Publikum von herzlichem Lachen bis Fremdscham pur. Aber so konsequent, wie die vier diese Masche durchziehen, ist es auch einfach zum Schmunzeln. Eine bunte Band mit einem leichten Touch Bon Jovi und viel Selbstbewusstsein.

Die dritte Formation des Tages entführte die Zuschauer anschließend ganz züchtig, aber keinesfalls weniger exzentrisch in die sakrale Welt. Powerwolf wissen, was gelungene Live-Auftritte ausmacht! Abgesehen von der einfach immer wieder nur zu lobenden Gesangleistung von Attila Dorn und dem Eifer seiner bei jedem Auftritt vor Elan sprudelnden Bandkollegen, steht man einem Gesamtkunstwerke gegenüber, das von den Kostümen bis zur Kulisse hin stimmig ist. Um die kurzen Spielzeiten gut auszunutzen – da nur eine Bühne bespielt wurde, waren diese etwas enger getaktet – gab es einen Klassiker nach dem anderen auf die Ohren. „Amen & Attack“ gehörte dabei ebenso dazu wie „Armata Strogoi“ und „We drink your Blood„, mit dem der Auftritt sein jähes Ende fand. Danke, liebe Wölfe.

Beschlossen wurde der erste Tag des Elbriot 2016 dann mit Sabaton und einer Menge Pyrotechnik. Die Schweden sind in den letzten Jahren wirklich groß geworden und hatten zumindest den Bandshirts nach zu urteilen die meisten Fans im Publikum. Ein besonderes Highlight für die treuen Anhänger: Die Live-Performance einiger neuer Songs vom aktuellen Album „The Last Stand„, das am Tag des Auftritts erschienen ist. Über eine Stunde heizten die Power-Metaler dem Publikum ein, bevor es für alle schnurstracks vom Gelände ging. Vermutlich liegt es an der Innenstadtlage, dass die letzten lauten Töne um 22 Uhr verklungen sein sollten. Dafür, dass alles entsprechend umgesetzt wird, sorgten sehr strikte, aber zugegeben auch wirklich nette Security-Menschen, ausgerüstet mit einem Absperrband. Die Festivalbesucher wurden so freundlich wie möglich zusammengetrieben und konnten das Gelände freudig in Richtung der ersten Aftershowparty verlassen.
Diese fand leider nicht wie in den Jahren zuvor in der nahegelegenen Markthalle statt, die gerade renoviert wird, sondern stattdessen im Headcrash und an Tag 2 zusätzlich im Unterm Strich, einer Location, die laut den Türstehern auf dem Kiez normalerweise für ganz andere Dinge als Festival-Aftershowpartys bekannt ist. Dafür, dass gleich mehrere Alternativen gefunden werden konnten, ist der Organisationsseite ebenso zu danken, wie für einen insgesamt runden Ablauf ohne Zwischenfälle, den vollen Bandplan und eine kleine aber feine Budenauswahl, bei der man sogar nach einigen Minuten Getränke, Fleischspieße oder sonstige Köstlichkeiten in den Händen halten konnte. Der Vorteil eines familiären Festivals ohne viel Tamtam.
Das ging dann selbstverständlich am Elbriot-Samstag weiter!

Bereits um 13 Uhr läuteten die belgischen Hardcore Punker von Nasty zur nächsten Runde, eine Stunde später betraten Fear Factory die Bühne. Bei beiden Auftritten soll es einige Probleme gegeben haben, was ein Murmeltier wie ich leider weder bestätigen, noch dementieren kann. Aber es sollten immerhin auch die einzigen Schwierigkeiten bleiben. Denn spätestens mit At the Gates kam das Publikum wieder voll auf seine Kosten. Mit einer schön ausgeglichenen Setlist zeigten sie, warum sie zu den Großen des Genres gehören: Der Live-Auftritt sitzt einfach, so qualitativ hochwertig würden wir gern immer auf einem Festival empfangen werden. Melodic Death Metal am Nachmittag.
Was dann folgte, war die Überraschung des Tages. Engländer gelten gemeinhin nicht als die temperamentvollsten Energiebündel, dementsprechend zeigen sich auch Paradise Lost bei ihren Auftritten vornehm zurückhaltend. Die Live-Performance gilt gemeinhin als solide, wenn auch allein aufgrund der Zuordnung zum Gothic oder Dark Metal nicht als totaler Abriss. Daher erfreute es vor allem die Herzen überzeugter Fans, dass Sänger Nick Holmes in Bestform auflief! Die Band zeigte einen der besten Auftritte des Festivals und schafften es in besonders schwermütigen Momenten sogar, den dichten Wolken vereinzelte Regentropfen zu entlocken.
Kontrastprogramm gab es anschließend mit Asking Alexandria. Nicht nur, dass die Jungs sich ein bisschen Zeit ließen, um auf die Bühne zu kommen, sie hatten mit ihrer Stilrichtung Metalcore offenbar auch nicht bei allen einen guten Stand, was zumindest das zurückhaltende Publikum vermuten ließ. Beim jugendlichen Herumgespringe und dem vorherrschenden Emo-Style fühlte man sich unversehens in die eigene Teenie-Zeit zurückversetzt und das möchte man eventuell einfach gar nicht. Aber sie gaben ihr bestes. Das ist ja auch wichtig.
Gerettet wurde der Zeitplan durch die nachrückenden Death Metaler Carcass. Seit ihrer Reunion 2007 sind die Jungs wieder voll da und präsentieren Hits des aktuellen Albums „Surgical Steel“ (2013) ebenso wie alte Evergreens.

Mastodon hielten es im Anschluss ähnlich – allerdings ging doch ein wenig Stimmung verloren. An der musikalischen Qualität war dabei nichts auszusetzen, sondern vielmehr an der Wirkung. Im Gegensatz zu vielen der anderen Elbriot-Bands kam einfach nicht so viel rüber, wie man es sich von einem eingespielten Team wünscht. Das Publikum feierte dennoch mit – schließlich näherten wir uns dem Grande Finale!
Dieses wurde dann in Form der Thrash-Metal-Koryphäen Slayer auf das Publikum losgelassen. Ebenso wie die Freitagsbands Testament, Steel Panther und Sabaton waren die Kalifornier frisch vom parallel laufenden Summer Breeze in die Hansestadt gekommen. Nach mehreren Jahrzehnten im Musikgeschäft konnten sie allerhand Hits zum Besten geben, die das Infield zum Feiern brachten. Es wurde gecrowdsurfed, geheadbangt, mitgegrölt, bis die letzten Akkorde verklangen.
Die zufriedene Meute wurde nach insgesamt zwölf Auftritten an zwei Tagen in die Nacht entlassen. Was für ein Fest!
Wie in den Jahren zuvor zeigte das Elbriot, dass es keine hundert Bands und eigene Campgrounds braucht, um ein gelungenes Festival abzuliefern. Wo manche Riesen-Veranstaltung den Blick auf das Wesentliche vermissen lässt, bot sich uns in Hamburg eine dunkelbunte Konzertmischung, für die man kein Vermögen löhnen muss, um sein Festivalerlebnis auszukosten. What a blast! Wir kommen wieder.