Singing in the rain
Eine bunte Welt zwischen Neonfarben und Glitzerstaub. Das ist das Dockville im aufstrebenden Künstlerviertel Hamburg Wilhelmsburg. Anstatt wie viele stilgerichtete Festivals mit Genreverbundenheit aufzuwarten, zielte die musikalische Planung auf den aus den Vorjahren gewohnten Mix aus Electro, Indie, psychedelic Pop und ein bisschen Hip-Hop und Punk ab. Das Publikum gab sich trotz des Hamburger Schietwedders gut gelaunt. Mit typisch nordischem Hansestadt-Getröpfel ging es durch ein ereignisreiches Wochenende.
Sie heißen RY X, Samy Deluxe und Aligatoah, fühlen sich in verschiedenen Genres zu Hause und haben vom 15.-17. August doch eine gemeinsame Aufgabe: Den Fans der bunten Dockville-Welt das Wochenende zu versüßen. Mit grünen, gelben oder blauen Bändchen ging es für die über 22.000 Besucher zu den sechs Bühnen, auf denen insgesamt 140 Acts auftraten. Und nicht nur das: Erstmals ging dem MS Dockville das MS Artville voraus. Das umbenannte Kunstcamp stärkte nicht nur die namentliche Verbundenheit, sondern sorgte auch wieder für Kunstgenuss neben den musikalischen Attraktionen. So gehörten auch Führungen und Poetry Slam zum bunten Rahmenprogramm. Maßgeblich für den Ansturm der Musikliebhaber waren aber natürlich die Klänge selbst. Und es gab durchaus einige Künstler, die sich aus der breiten Masse hervorhoben.

Foto by Thomas Quack
Ungeschlagene Königin des ersten Tages: Ausnahmekünstlerin Birdy. Als das zierliche Mädchen von gerade 18 Jahren auf die riesige Bühne des Großschots trat und sich ans Piano setzte, entfaltete sie mit ihrer Stimme auf einmal eine Kraft, die die Menschen mitriß. Das Vögelchen verzauberte mit genau der Tiefe und Zerbrechlichkeit, die ihren Indie Pop so bekannt machte. Kurz darauf: Der Berliner Alle Farben, der es sich nicht nehmen ließ, seine Techno- und Elektrobeats mit klassischen Elementen aufzumotzen.
Am Samstag folgten dann von vielen ersehnt: Kakkmadafakka. Eine Absage im letzten Jahr scheint den Kampfgeist angeheizt zu haben: Die Disco-Moves saßen ebenso wie die zugehörigen Beats und so zappelten sich die verrückten Norweger durch eine Stunde Misch-Masch der Extraklasse. Auch ihre Nachfolger erwiesen sich als Publikumsmagnete: Die Antwoord sind schrill und laut. Ob hart gerappt, zuckersüß gesäuselt, mit Disco-Mukke oder Elektro-Sounds unterlegt. Auch etwas gewöhnungsbedürftig, zugegeben. Wer aber den Abendauftritt auf dem Großschot gebührend begehen wollte, hatte mit einer ganzen Menge anderer Zuhörer auf jeden Fall die Möglichkeit.
Da auch ein Festivalwochenende nicht ohne technische Fehler auskommt, sei an dieser Stelle auf den wirklich bedauerlichen Abbruch von Dillons geplantem Auftritt um 20.50 Uhr auf dem Vorschot hingewiesen. Nach etwa 20-30 Minuten Verspätung trat die junge Wahlberlinerin aus den Schatten der Bühne, um dann im Schatten des Abends unentdeckt zu bleiben. Was genau mit der Technik nicht stimmte, konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ermittelt werden. Fest stand aber: Ohne vernünftige Ausleuchtung und nur bewaffnet mit Mikro und Keyboard wurde aus dem vorgesehenen Programm nichts. Kämpferisch bestand sie darauf, wenigstens einige ihrer ruhigen Stücke vorzutragen. Treue Fans hielten ihr dabei die Hand. Und so konnte man wenigstens einen kleinen Eindruck von der wirklich wunderbaren Künstlerin erhaschen.

Der Großteil des Bandaufgebots jedoch bestand aus Newcomern. So, wie die klangen, aber durchaus welchen mit Zukunft. Man nehme zum Beispiel eine junge Dänin und ihr Spice-Girls-Cover, das sie mit allem hinterlegt, was irgendwie der psychedelischen Dockville-Atmosphäre entgegenkommt und in großartiger Girl-Pop-Manier zum besten gibt. Wie MØ begeisterten auch viele andere die bunten Regentänzer, die sich sichtlich wohlzufühlen schienen.
So fuhr das Dockville 2014 zwar etwas kühl, aber doch mit positiven Eindrücken sicher in den Hafen des Festivalendes ein. Zwar wurde unterschwellig das Campingsystem mit den beiden Campgrounds Steuer- und Backbord bemängelt, das erhebliche Strecken forderte und außerdem die Verschärfung mit sich brachte, dass „normale“ Besucher nicht einmal Tetrapacks mit auf das Gelände nehmen durften, ansonsten gab es aber wahrlich nichts zu meckern. Und so soll es wieder sein, wenn der bunte Glitzerstaubwahnsinn auch im nächsten Jahr Wilhelmsburg erobert.

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