Hexenverfolgung

Ein Mythos wird bittere Wahrheit

In dem Film „Hansel&Gretel: Witchhunters“ jagen die allseits bekannten Geschwister schreckliche Kreaturen, die Kinder rauben und unheilvolle Rituale durchführen: Hexen. Der Glaube an ihre böse Macht ist alt und führte durch seine rasante Verbreitung im Mittelalter zu einer Massenhysterie, die mehrere zehntausend Menschen das Leben kostete. Als Verbündete des Teufels definiert, wurden vermeintlich praktizierende zur Zielscheibe der Kirche – und diese selbst in Form der Inquisition zum Vollstrecker einer langen Reihe tödlicher Fehleinschätzungen. 

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Die Anfänge

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Eine Hexe, wie so oft als alte Dame dargestellt, erhält Besuch von Dämonen

Sucht man den Ursprung der Hexenwesen, kann man bereits zur Zeit der ersten Hochkulturen wie dem alten Ägypten ansetzen. Der Glaube, dass Geister und Dämonen den Menschen als böse Mächte schaden wollten, herrschte überall. In früheren Zeiten galt es jedoch gemeinhin als unwirksam, wenn ein Mensch Hexenzauber verüben wollte. Vielmehr war es der Versuch an sich, der geächtet wurde. Dies änderte sich erst im Laufe des 13. Jahrhunderts, als kein geringerer als der bekannte Theologe und Philosoph Thomas von Aquin neue und konkretere Vorstellungen des Hexentums entwarf. Neben der bereits bekannten Annahme des Hexenfluges kamen Mythen wie die Verwandlung in Tiere und der unabdingbare Pakt mit dem Teufel hinzu. Aquins Bekanntheit zog viele Schriften anderer Gelehrter nach sich, die den Hexenwahn streuten und festigten.
Die Angst der Menschen führte zu neuen Abhandlungen auf dem Konzil von Basel (1431-1449). Bereits im Jahre 1090 hatte man in der bayrischen Stadt Freising drei Frauen verbrannt, die angeblich Wetterzauber verübten. Hinrichtungen dieser Art fanden im Laufe des 15. Jahrhunderts vermehrt statt, ausgeführt von aufgewühlten Bauern. Man glaubte an eine Sekte, die alle Anhänger des bösen Glaubens verband.

Was Jahre zuvor noch kritisch von der Kirche beobachtet wurde, hatte zu dieser Zeit bereits eine Macht entfaltet, die noch verheerender werden sollte. 1431, im Jahr des Konzilbeginns, tötete man die 20jährige Jeanne d’Arc, auch bekannt als Johanna von Orléans, die von Visionen geleitet im Hundertjährigen Krieg kämpfte. Sie landete als Ketzerin schuldig gesprochen auf dem Scheiterhaufen. In Frankreich stärker angefacht brannte sich das Feuer des Aberglaubens in den deutschsprachigen Raum, wo etwa die Hälfte aller Hexenhinrichtungen stattfand.

Der Mythos

Die Gründe für die Entstehung des Mythos sind vielfältig. Götter und Dämonen waren seit jeher fester Bestandteil des Glaubens. Das Wissen reichte damals nicht aus, um alle auftretenden Phänomene zu erklären, weshalb man Naturgeschehnisse personifizierte oder alternativ Figuren erschuf, die diese bewirkten. So glaubte man auch, dass Dämonen die Barriere der Zäune und Hecken, die Städte und Dörfer umgaben, nicht überwinden konnten, und daher auf ihnen sitzend warteten. Das Althochdeutsche Wort „hagazussa“, Zaunsitzerin, wird daher oft als Ursprung des heute geläufigen Namens „Hexe“ angegeben. Mit bösen Zaubern sollten sie für schreckliche Begebenheiten sorgen, etwa Hunger durch Missernten, schwere Krankheiten oder Fehlgeburten. Gerüchte waren als Massenmedium schon damals so effektiv, wie sie es heute sind. Die Angst, selbst Schlimmes zu erleiden, ließ viele Menschen zu Spitzeln werden, die Natürliches falsch auslegten, um Anklage zu erheben. Die Kirche war der Hauptvollstrecker, der die Ungläubigen durch den Tod befreien wollte. Vor allem Frauen waren das Ziel der Richter. Durch eine Verlobung mit Satan persönlich waren sie abtrünnig geworden und schadeten ihren Mitmenschen im Namen des Teufels. Das ursprüngliche Bild des Zauns wurde nach und nach zu einem Besen, dem Symbol des Hexenflugs. Durch diese Fähigkeit konnten Versammlungen an geheimen Orten abgehalten werden, etwa zur Zeit der mythenträchtigen Walpurgisnacht.

Die Hexenbulle – legitimiertes Töten

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Illustration des Hexenfluges: Die Zauberinnen reiten auf ihren Besen Martin Le France (1410-1461)

Das 17. Jahrhundert forderte die meisten Opfer. Grund dafür war auch die heute als lächerlich zu betrachtende Rechtsprechung, die es den Klägern bei den Prozessen sehr leicht machte. Man gab zu, dass Hexen geschickt waren und es daher keine Anzeichen gab, die Magie bewiesen hätten. Da sie entsprechend unsichtbar blieb, brauchte man Geständnisse, die zur Not durch Folter erzwungen wurden. Einige Länder und Gebiete sperrten sich gegen den Irrsinn und blieben so komplett unbelastet vom Hexenwahn. Wenn überhaupt wurden harmlose Prozesse geführt.

Eine Anleitung und damit eine rechtmäßige Legitimation zur Durchführung gab es seit dem 5. Dezember 1484, als Papst Innozenz VIII. die sogenannte „Hexenbulle“ ausstellte. Sie gestattete den Theologen Heinrich Kramer und Jakob Sprenger, ohne Einschränkung anzuklagen und Strafen zu verhängen. Der Hexenglaube wurde durch das Schreiben bewahrheitet.
Kramer wird gemeinhin als treibende Kraft hinter der Bulle angesehen. Er führte einige Prozesse und wurde 1478 zum zuständigen Inquisitor für ganz Oberdeutschland. Anschließend soll er selbst den Text geschrieben haben, den Papst Innozenz später unterzeichnete. Auch wenn Sprenger als Mitverfasser gilt, wird eher von einer Einzelpartei ausgegangen. Zwar waren beide Männer Inquisitoren, Kramer hatte aber schon immer mit einem zweifelhaften Ruf zu kämpfen, den er durch einen Koautoren auszubessern suchte.

Nach einem Rückschlag im folgenden Jahr, bei dem sich ein Bischof in Tirol gegen Kramers Annahmen sperrte und einen Prozess auflösen ließ, kam es zur Verfassung des „Hexenhammers“. In ihm sammelte der Inquisitor alles, was mit der Hexerei zu tun hatte: Erklärungen, warum es Hexen gab, warum vor allem Frauen betroffen waren, Nennung der kirchlichen Mittel gegen Zauber und natürlich auch Anleitungen für einen typischen Hexenprozess. Seine Ansätze stützten sich dabei vor allem auf die Entkräftungen der Argumente gegen Hexen.

Das Buch konnte durch die gerade aufgekommene Drucktechnik weit verbreitet werden und fand viele Interessenten. Die Zeiten waren schlecht; Krankheiten und Hunger grassierten. So ist auch die erste Welle der Massenverfolgungen zu erklären, die durch kritische Stimmen im 16. Jahrhundert abgeschwächt wurde. Denn es gab nicht nur Befürworter des immer unbarmherzigeren Vorgehens. Der Bischof Georg Golfer versuchte, Kramer aus dem Land zu vertreiben. Er entließ die Angeklagten und forderte dazu auf, die Verfolgung einzustellen. Weltliche Mächte verurteilen den Wahn und verhängten sogar Strafen für dieses unmenschliche Vorgehen.

Die Prozesse

Ein Entkommen gab es nicht. Das Ziel in sämtlichen Hexenprozessen war grundsätzlich der Tod des Angeklagten; ob der Richter im Vorwege leere Versprechungen machen wollte oder nicht, blieb ihm selbst überlassen.

Die Prozessbeteiligten arbeiteten generell nach amtlichen Anweisungen, die Beurteilungen von Hexerei und Zauberei enthielten. Die zunehmende Konkretisierung hatte einige ironische Begleiterscheinungen. So sorgten die ständigen Predigten, alles Unnormale zu offenbaren, zu einem Kampf von jedem gegen jeden und die Anklagegründe wurden immer nichtiger. Die Inquisition begann, die Gesellschaft zu zerrütten. Es ging so weit, dass die Richter mitunter nicht einmal mit den Angeklagten redeten. Zu groß war die Angst, selbst verhext zu werden.

Eine Bestätigung des Hexendaseins sah man im Hexenschlaf. Gerade bei Verbrennung meinte man auf den Gesichtern der Verurteilten ein Lächeln zu sehen, was als Verzückung in Anwesenheit des Teufels gedeutet wurde. In Wahrheit handelte es sich dabei wohl nur um das Zucken des Körpers oder tatsächlich die Erleichterung, am Ende der Folter angelangt zu sein.

Das Ende

Die letzte Hexe wurde offiziell 1782 in der Schweiz hingerichtet. Unbelegten Berichten zufolge traf der Aberglaube 1793 aber auch zwei Frauen in Polen, die das Vieh des Nachbarn krank gemacht haben sollten. Der Hexenwahn war nach seinem Höhepunkt im 17. Jahrhundert langsam abgeklungen und der Aufklärung gewichen. Durch die Wissenschaft konnten Phänomene erklärt werden, die vorher als Teufelswerk galten. Zudem kam es zu einer Humanisierung des Strafrechtes, die die Folter langsam aus dem Gerichtswesen verschwinden ließ.

Heute weiß man, wie verheerend die Manie der Bevölkerung wart. Die Opferzahlen gehen in die Zehntausende. Genauere Angaben werden aber aus Gründen der Belegbarkeit nie gemacht werden können.

Heute kennen wir Hexen vor allem als alte Frauen aus Märchen, die Böses tun, aber stets von der Macht des Guten besiegt werden können. So verbleibt ein aus Angst entstandener Irrglaube als fester Bestandteil in unserer heutigen Kultur.

2 Gedanken zu “Hexenverfolgung

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