Phantom der Oper

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Rückkehr ohne Hindernisse: Das Phantom der Oper und sein gelungener Auftakt

Zum ersten, zum zweiten, verkauft! Hamburgs Neue Flora hat den Zuschlag bekommen: Das Phantom der Oper ist wieder da. Wie die berühmte Affenspieluhr im Prolog kehrt auch in diesem Fall ein Artefakt in die Hände von alten Bekannten zurück. Das Theater, das in den Jahren 1988-1990 eigens für Andrew Lloyd Webbers gefeiertes Stück gebaut wurde, bietet dem Musical im Operngewand erneut ein Zuhause. Klassisch wie damals will es die Zuschauer in seinen Bann ziehen und schafft dies am Abend der letzten Vorpremiere, dem 27. November, trotz kleinerer Mängel mit erwarteter Souveränität.

Die weltbekannte Geschichte lässt sich kurz zusammenfassen: Die Pariser Oper wird im Jahre 1881 von einem Operngeist heimgesucht. Er lebt in den Kellergewölben im Untergrund, einsam und unerkannt, um sein entstelltes Gesicht zu verbergen. Ans Licht kommt es erst, als er in Tänzerin Christine seine Muse findet. Das Phantom der Oper - Theater Neue Flora in HamburgDas Phantom verliebt sich in das Mädchen, das so nach und nach zur Primadonna wird. Doch die Verbindung der beiden ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Schon die Ouvertüre ist packend. Während der tonnenschwere Kronleuchter zu fulminanter Orgelmusik in Richtung Decke gezogen wird, kann sich der Zuschauer auf das vorbereiten, was ihn in den nächsten Stunden erwarten wird: Eine Welt aus aufwendigen Kostümen, detailreichen Kulissen und den Mysterien des Untergrundes. Die Vorhänge fallen von den goldenen Statuen und der Glanz der Oper wird erkennbar.
Keine Frage: Er ist faszinierend. Und doch vermag er nicht jeden zu fesseln. Der Gesang ist für ungeschulte Ohren gewöhnungsbedürftig und meist unverständlich, das ganze Spektakel zu dick aufgetragen für Nicht-Kenner. Umso spannender ist daher die Idee, ein Musical zu spielen, in dem man schlicht und einfach so tut, als wäre man in der Oper. 14 Schauplätze führen den Beobachter durch das Pariser Opernhaus, besetzt mit bis zu 130 Cast- und Crewmitgliedern, die täglich dafür sorgen, dass die bunte Showwelt perfekt wird.
Viel Action darf dabei nicht erwartet werden. In klassischer Opernmanier besteht auch eine ausgedehnte Geisterjagd nur aus wenigen Jagdszenen und Schrecksekunden. Elektrische Kerzen, Nebel und auch der fallende Luster dienen eher zur szenischen Untermalung, die zwar wenig überraschend ist, aber insgesamt gut gelingt. Hier geht es vor allem um Gesang, inhaltlich wie auch darstellerisch, und die Künstler verstehen ihr Handwerk.

Director Harold Prince betonte die Wichtigkeit guter Darsteller, als er sagte, die Besetzung spiele eine große Rolle für das Gesamtwerk. Und die Hamburger Erstbesetzung überzeugt.
Bester Beweis dafür ist Valerie Link, eine wunderbar mädchenhafte und zarte Christine, die sich souverän zur Primadonna singt und ihrem kleinen Körper Töne entlockt, die man auf den ersten Blick gar nicht von einer solch zierlichen Person erwartet hätte. Die 34-jährige hat schon viel Erfahrung sammeln dürfen, seit sie ihre Ausbildung an der „Stage School of Music Dance and Drama“ in Hamburg beendete. Genau wie das Phantom ist sie nun zurück in der Neuen Flora, wo sie bereits 2001-2002 in „Mozart!“ mitwirkte. Obwohl Link keine gezielte Opernausbildung hat, lieferte sie als Christine eine durchweg bravuröse Vorstellung ab.
DAS PHANTOM DER OPER - Hauptdarsteller Mathias Edenborn
Ähnlich positiv lässt sich auch über Operngeist Mathias Edenborn urteilen. Der gebürtige Schwede hat Ahnung von Erstbesetzungen, verkörperte er doch unter anderem schon Inspektor Javet in „Les Misérables“ oder, pompös angehaucht wie die Oper, Kaiser Franz-Joseph in „Elisabeth“. Im ersten Moment stockt man, wenn einem der Star der früheren Hamburger Besetzung, Peter Hofmann, bekannt ist. Die Stimmfarbe unterscheidet sich erheblich. Während Hofmann tatsächlich Opernsänger war, ist dies auch bei der zweiten Hauptrolle des neu aufgelegten Phantoms nicht der Fall. Erkennbar wird dies vor allem, wenn die Zeit für eine kräftige Kopfstimme gekommen wäre, die Edenborn, gewollt oder nicht, nur fragil zur Schau trägt. Möglicherweise schlägt hier noch die gerade auskurierte Stimmbandentzündung zu Buche. Doch er wäre kein Darsteller, wenn er nicht einige Kniffe dafür auf Lager hätte. Das Phantom und Christine_Copyright Stage_ Ralf Brinkhoff.jpg_c3274147a1ODas Phantom, das der 38-jährige spielt, durchlebt ein Wechselbad der Gefühle, in dem auch die Schwäche ihren Platz hat. Vor allem in den letzten Szenen stellt er diese Seite so überzeugend dar, dass am Ende offen bleibt, ob er seinen Charakter mit Absicht so entwickelt hat, wie er dem Publikum an diesem Abend entgegentrat, oder nicht. Generell lässt sich anmerken, dass Edenborn das Phantom jugendlicher macht, als man es erwartet, und ihm dadurch einen besonderen Charme verleiht. Er überzeugt mit Charakterstimme, die bald wieder in vollem Umfang zu hören sein wird.
Zusammen mit dem dritten Hauptdarsteller Nicky Wuchinger als Raoul ist das Trio komplett, das die berühmte Liebesgeschichte neu aufleben lässt. Es ergänzt sich stimmlich wie auch im Spiel miteinander und trägt die Geschichte gekonnt zu den Zuschauern.

Manchem mag es vielleicht seltsam vorkommen, dass ein Cast zum Großteil ohne klassische Gesangsausbildung ist, will man doch das Geschehen in einer Oper inszenieren. Tatsächlich ist Diva Carlotta, gespielt von Rachel Anne Moore, eine der wenigen, bei denen dies zutrifft. Doch wie oben angedeutet erfüllt genau das das Konzept. Der breiten Masse in der modernen Zeit eine spezielle Kulturform nahezubringen, muss geschickt angestellt werden. Daher begnügt sich das Stück mit den unbestreitbar opernhaften Zügen, die aber nicht überstrapaziert werden. PDO_HAM_Prio2_Hannibal_c3264004a1O
Besonders hervorzuheben sind an diesem Abend noch zwei Nebenrollen, die sich im Laufe des Stücks immer weiter profilieren und dadurch neben den überall erwähnten Hauptdarstellern einen Starmoment verdienen: Als Mutter-Tochter-Gespann Giry treten Michaela Christi und Theano Makariou auf. Strenge und Jugendlichkeit treffen aufeinander und werden von beiden überzeugend verkörpert. Ein Duo, das nicht unerwähnt bleiben darf.

Während die Castfülle von damals nahezu übernommen wurde, hat sich eine andere reduziert: Nur 14 Menschen sitzen im nach „Tarzan“ neuerwachten Musikergraben. Verwunderlich wenige, wenn man an die starken Klänge denkt, die einen während der Vorstellung umgeben. Während der Gesangparts fällt es weniger auf, da die Darsteller die volle Aufmerksamkeit sicher haben. Anders ist es allerdings, wenn das Orchester allein agiert. Einige technisch reproduzierte Instrumente wirken recht synthetisch. Zwar wird der Gesamteindruck dadurch nicht gravierend getrübt, im Nachhinein haben aber vor allem Freunde der instrumentalen Musik das Gefühl, es hätte noch besser gemacht werden können.

Die Vorstellung am 27. November war alles in allem eine runde Show ohne große Fauxpas. Die Darsteller zeigten sich nicht nur künstlerisch ausgereift, sondern auch als mittlerweile eingespieltes Team, zum Beispiel wenn Christine im Eifer des Gefechtes plötzlich mit einem Stuhl auf der Schleppe ihres Kleides steht und Tenor Piangi und Raoul sofort zur dezenten, fast eingeplant wirkenden Hilfe eilen. Das Phantom wieder in „sein“ Theater zu holen, ist eine Hommage an das Stück, einen Klassiker der Musicalwelt. Seine Rückkehr weckt nicht nur Erinnerungen, sondern wird bald vielleicht sogar zu einer erneuten Deutschlandpremiere in der Neuen Flora führen. „Love never
dies“, die Fortsetzung des Phantoms der Oper, wird als großer Nachfolge-Favorit gehandelt. Doch bis es so weit ist, stehen noch viele Vorstellungen bevor; hoffentlich ebenso gut, wie an diesem Abend.

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