Was sind eigentlich Whistleblower?
Über das Phänomen und wie man mit ihm umgehen sollte
1. Einleitung
Im August 2012 wurde Julian Assange das politische Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London gewährt. Seitdem ist der wohl bekannteste Vertreter der Whistleblower-Plattform Wikileaks in den Wänden dieses Gebäudes gefangen.
Dass man mit ungewöhnlichen Enthüllungen schnell die eigene Freiheit einbüßen kann, lernte auch Paolo Gabriele, ehemaliger Kammerdiener und damit Vertrauter von Papst Benedikt dem XVI.. Er gab private Dokumente aus dem Vatikan an die italienische Presse und entfachte damit einen Skandal.
Edward Snowden ist das jüngste Beispiel für das Auftreten eines Whistleblowers. Der ehemalige Geheimdienst-Mitarbeiter ist auf der Flucht vor dem FBI, das mittlerweile einen Haftbefehl gegen ihn erwirkt hat.
Das Aufsehen um Wiki-, Vatileaks und seit Juni diesen Jahres des Snowden-Falls ist groß. Whistleblower werden mehr denn je wahrgenommen und gelten als Bedrohung – vor allem Regierungen haben ihre Probleme mit den unliebsamen Enthüllern. Doch auch eine andere Berufsgruppe ist immer mal wieder im Gespräch, wenn es um die Gefahren der neuen Plattformen und ihre Vertreter geht: Die Journalisten. Vom akuten Zeitungssterben in Europa angegriffen, einem ungeschützten Beruf angehörig und generell durch immer mehr Freiberufler vertreten, vermuten viele eine Bedrohung durch diejenigen, die das Internet mit geheimen Informationen füttern und das tun, was eigentlich Journalistenaufgabe ist. Aufdecken, informieren und Themen setzen.
Ob diese Bedrohung wirklich ernstzunehmen ist, soll in den folgenden Punkten erklärt werden.
2. Begriffsdefinitionen
2.1. Whistleblower
Whistleblower bedeutet ins Deutsche übersetzt etwa „Aufdecker“. Generell wird mit diesem Begriff ein Kunde oder Mitarbeiter einer Institution beschrieben, der aus eigener Erfahrung über interne Missstände berichten will, und dafür die Medien, speziell das Internet nutzt (URL www.wirtschaftslexikon.gabler.de/Definitionen/whistleblowing.html [aufgerufen am 12.05.13]). Generell werden diese Menschen in der Gesellschaft positiv wahrgenommen.
2.2. Beschreibung von Wikileaks als Beispiel eines typischen Whistleblowers
Die Enthüllungsplattform Wikileaks ist laut eigenen Angaben (URL http://www.wikileaks.org [aufgerufen am 12.05.13]) eine Non-profit-media-organization. Seit 2007 ist die Website offiziell online und setzt sich für eine freie Presse und Transparenz in der Gesellschaft ein. Durch jahrelange Beobachtung entstand das Modell, gerade streng überwachten Themen Spielraum zu verschaffen, indem durch Sicherheitstechnologie geschützte Quellen ihre Informationen an die Mitarbeiter geben konnten, die diese im Nachhinein auf der Website veröffentlichten. Mit seinem Vorgehen hat Wikileaks bereits mehrere Preise gewonnen, unter anderem einen Award der Vereinigung Amnesty International (ebd.).
Weitere Whistleblower-Plattformen können mittlerweile sogar in Datenbanken eingesehen werden. Ein Beispiel dafür ist whistleblower-net.de.
3. Bedrohungen des Journalismus
Der Journalismus steht in der heutigen Zeit verschiedenen Faktoren gegenüber, die es dem gesamten Berufszweig nicht unbedingt leicht machen. Die Gesellschaft ist geprägt durch Schnelllebigkeit, Sensationslust und vor allem das Internet. Die Veränderung der Kommunikationswege von der journalistischen Verbreitung hin zur heutigen Massenpublikation von jedem für jeden ermöglicht es, mit wenigen Klicks einen unfassbaren Pool von Informationen einzusehen. Blogs sind heute ein beliebtes Mittel, um eigene Nachrichten zu verbreiten. Die Jugend ist geprägt durch Social Media, das Freunde ersetzt und den Hauptteil der Kommunikation in den virtuellen Raum verlagert. Von vielen wird die Fülle an Daten durchaus als kompliziert wahrgenommen.
Für einen Journalisten ist klar, dass er mit der Zeit gehen muss. Cross-mediales Denken ist nötig, um bei so vielen Informationen mit fundierten Beiträgen hervorzustechen; denn Richtigkeit ist nicht für jeden ein Auswahlkriterium. Jeder Konsument entscheidet unterschiedlich, auf welche Quellen er zugreifen will. Ein inhaltliches Mittel greift dabei in den meisten Fällen – und hier kommen die Whistleblower ins Spiel.
3.1. Whistleblower in diesem Kontext
Indem sie Skandale aufdecken, treten die Enthüller in die Öffentlichkeit. Sie fördern Teile von dem zu Tage, was vor allem investigativer Journalismus zu entdecken versucht.
Die Frage ist nun, ob diese neue Entwicklung den Journalismus wirklich so sehr einschränkt, wie man zunächst annehmen könnte.
Zu allererst muss hierbei eine Unterscheidung zwischen den Whistleblowern als Einzelpersonen und richtigen Plattformen, also dem organisierten Whistleblowing gemacht werden.
Wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist die Verbreitung.
Auf der eigenen Website gibt Wikileaks bekannt, wie mit eingehenden Informationen umgegangen wird: Nach dem Eintreffen werden die Angaben eingesehen und so weit es geht geprüft. Wurden sie für wahr befunden, werden sie unbearbeitet auf dem Server veröffentlicht. Das einzige, was ergänzt wird, ist eine Art Übersicht, auf der festgehalten wird, warum diese Enthüllungen für die Gesellschaft relevant seien. Denn wie bei jeder Nachricht spielt auch bei der Whistleblowerplattform der Faktor „Relevanz“ eine wichtige Rolle. Der Bevölkerung wird also ein unverfälschter Einblick in Originaldokumente gegeben. Die Frage ist nur, ob dies auch wirklich ungefährlich ist. Denn da die Geschichten in der Öffentlichkeit auftauchen, ohne Chance auf Reaktionen zuzulassen, bleiben sie unsortiert und unerklärt, können dadurch auf alle erdenklichen Weisen interpretiert und natürlich auch falsch verstanden werden. Zwar sind die Prüfer der Informationen zumindest bei Wikileaks in den meisten Fällen selbst Journalisten, doch da sich ihre Bearbeitung auf eine Art Gutachten beschränkt, entfällt die Aufbereitungsfunktion.
Anders ist es bei den Einzelpersonen. Nicht nur Edward Snowden, auch der bereits erwähnte Kammerdiener des Papstes Paolo Gabriele arbeiteten ohne Netzwerk, sondern übergaben die Informationen der Presse. Hierin könnte man eher ein positives Argument für die Whistleblower sehen. Durch sie gelangen die Journalisten an Geheiminformationen, die sonst wahrscheinlich niemals ans Licht gekommen wären. Zudem bleibt ihnen das, was man im aktuellen Snowden-Fall durch eine einfache Google-Suche mit dem Namen des Betroffenen erkennen kann. Ob taz, Spiegel oder The Guardian: Seriöse Medien berichten nicht nur über die verbreiteten Informationen, sondern auch über die, die sie verbreitet haben. Die Presse kann also zwei Bereiche der Veröffentlichung voll ausschöpfen.
Was bleibt ist ein Funktionsverlust der Medien. Sicher lässt sich darüber streiten, in welchem Rahmen sich dieser bewegt, aber der Bedeutungszuwachs des Internets und die damit verbundene Ablösung der „vierten Gewalt“, der Presse, ist enorm. Das Internet bearbeitet nicht nur, es bringt auch Themen auf. Es bietet einem alles, was man braucht, um selbst zu recherchieren, sodass man nicht mehr zwangsweise auf Informationen von bestimmten Stellen angewiesen ist.
Dem entgegen steht wiederum, dass Whistleblower einfach nicht ohne die Presse auskommen. Zwar teilen sie Funktionen untereinander, im Endeffekt hätten die Enthüller ohne professionelle Berichte aber nur wenig Chance, sich so effektiv zu verbreiten, wie sie es in der heutigen Gesellschaft können. In einer Welt ohne Presse die durch ihre Entscheidungen, was behandelt wird, Wichtigkeiten einfließend lässt, wäre auch eine Whistleblower-Information nur eine von vielen und könnte im World Wide Web genauso untergehen, wie jeder beliebige Blogeintrag eines verträumten Teenagers.
Der letzte Punkt legt ein Problem offen, das keine der beiden Seiten beheben kann. Die Whistleblower kämpfen für eine freie Presse, durch die gerade Menschen in Machtpositionen nichts mehr verbergen können. Transparenz soll durch unabhängige Berichterstattung geschaffen werden. Nicht damit einverstanden sind selbstverständlich alle, die damit ins Feld der Beobachtung rücken. Was die Presse heute unfrei macht sind unausreichende Gesetze bezüglich der Durchschaubarkeit von Unternehmen und innerpolitischer Aktivitäten. Zudem gibt es nach wie vor Länder ohne Pressefreiheit. Der Trend interner Geheimnislüfter wird eher noch zu einer Verschärfung der Wachsamkeit führen als zur bereitwilligen Kooperation mit den Medien.
So werden Verbesserungsvorschläge in Zukunft auf keiner Seite ausbleiben – auch wenn diese für verschiedene Ideale eintreten.
4. Wie Journalisten mit dem neuen Phänomen umgehen sollten
Hat man erst einmal erkannt, dass die Whistleblower nicht nur negative Aspekte mit sich bringen und auch gar nicht vorhaben, die „normale“ Presse zu verdängen, kann man konstruktiver mit diesem Thema umgehen.
Generell sollten sie nicht als bloße Bedrohung gesehen werden. Whistleblower und ihre Plattformen sind eine neue Entwicklung, die gerade deshalb für viel Aufmerksamkeit und diverse Spekulationen sorgen. Wie bereits erläutert (siehe 3.) gibt es auf positiver und negativer Seite stützende Argumente, die natürlich je nach Orientierung ausgelegt werden können. Am ausschlaggebendsten sollte jedoch sein, dass Whistleblower auf die Presse angewiesen sind und diese auch durchaus aus den Enthüllungen profitiert. In Zukunft könnte sich dadurch eine enge Zusammenarbeit entwickeln, wie man es bei Wikileaks heute schon sieht (siehe 3.1.). Abgesehen von einem potentiellen neuen Arbeitsmarkt für Journalisten könnte sich auch in Bezug auf das zuletzt angesprochene Problem eine Gemeinschaft bilden, die Potential hätte, einiges zu verändern.
Es wird in den nächsten Jahren ein Ziel sein, sich diesen Interessen weiter zu widmen. Wichtig ist dabei nur, das Neue nicht sofort als Feind, sondern viel eher als Helfer im Medienzeitalter anzusehen.
5. Quellenverzeichnis
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www.wirtschaftslexikon.gabler.de/Definitionen/whistleblowing.html [aufgerufen am 12.05.13]
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www.wikileaks.org [aufgerufen am 12.05.13]