We are one. Twenty-One unfortunately.
Am 18. Mai präsentierte die schwedische Stadt Malmö uns den Eurovision Song Contest 2013. 39 Länder nahmen teil, 26 Vertreter sangen im Finale. Das Thema in diesem Jahr: We are one. Doch wie jedes Mal gab es auch nach diesem ESC-Samstag bereits am nächsten Tag Proteste und Kritik gegen die Siegerin, einige Kommentare, die Länder-Votings. Letzteres, wie immer, ganz besonders. Mittlerweile soll sogar Merkels Europa-Politik Schuld daran sein, dass der deutsche Act Cascada trotz solider Leistung nur auf dem 21. Platz landete. Stimmte es oder war die Konkurrenz vielleicht einfach stärker?
Das Wappen für den diesjährigen Contest war der Schmetterling, das Symbol der Transformation. Diese übertrug sich schon nach den beiden Halbfinalshows auf die Teilnehmer: Viele der Länder, denen in den letzten Jahren Vetternwirtschaft und übersteigerte Nachbarschaftsliebe vorgeworfen wurde, verabschiedeten sich dort bereits. Insgesamt wählten Publikum und Länderjurys eine bunte Mischung aus Songs weiter. Die Befürchtung, man würde im Finale mit Balladen überflutet werden, löste sich auf. Sämtliche Teilnehmer fügten sich zu einem der besten Jahrgänge seit 2005 zusammen.
Die Moderation übernahm Petra Mede als Einzelkämpferin. In diesem Jahr hatte man den Co-Moderator kurzerhand abgeschafft. Die schwedische Komikerin zeigte, dass sie in der Moderation von großen Shows geübt war – selbst eine selbstironische Schweden-Parodie mit Gesangs- und Tanzeinlagen blieb nicht aus.
Doch zuerst zum Herzen des Contests: Den Auftritten.
Das Big-Five-Mitglied Frankreich machte den Anfang. Amandine Bourgeois schmetterte ihren Song „L’enfer et moi“. Passend, wie die spätere Platzierung zeigte (Platz 23).
Wie in jedem Jahr gab es nach dem Finale viele Stimmen, die sagten: Möglicherweise hätte sich bis auf den Vorjahressieger keins der fünf gesaveten Länder per Live-Voting qualifiziert. Eine Vermutung, die sich auch in diesem Jahr hartnäckig hielt.
Für Belustigung sorgte Nr. 2, Litauen mit Sänger Andrius Pojavis. Abgesehen von einem putzigen Akzent sang er im Stil der 80er von seinen Schuhen Liebe und Hass. Es reichte nur für Platz 22.
Ebenfalls kleidungsaffin zeigte sich Aliona Moon, moldawische Repräsentantin. Ihr Kleid wuchs während der Performance auf sicher 2 Meter Länge, zudem funkelte es in verschiedenen Farben und endete in einem Flammenmeer. Angenehme Gesangsleistung inbegriffen (Platz 11).
Sehr auf die kommerzielle Schiene setzte dieses Jahr Finnland. Auffällige Kostüme kennen wir seit Lordi; 2013 wurde geheiratet. Krista Siegfrids interpretierte „Marry me“ schrill und quirlig: Kuss zweier Frauen inklusive. In der heutigen Zeit allerdings nichts besonderes mehr. Der Popsong erreichte nur Platz 24.
Um auf die Big Five zurückzukommen: Auch Spanien hatte zu kämpfen, nicht nur mit dem vorletzten (25.) Platz. Auch die Stimme schien nicht wirklich mitmachen zu wollen.
Ganz anders bei Belgiens Vertreter Roberto Bellarosa. Mit einer interessanten Choreografie unterstützten zwei Tänzerinnen den Titel „Love kills“. Er sang sich auf Platz 12.
Erstaunlich weit hinten landete Estland mit einer Ballade, die sicher einen besseren Platz verdient hätte (Platz 20). Trotz Schwangerschaft trat Birgit Öigemeel an. Leistungsmäßig hatte sie sich nichts vorzuwerfen.
Kontrastprogramm dazu bot Weißrusslands Aljona Lanskaja. Definitiv ohne Babybauch, dafür mit umso kürzerem Glitzerkleid. Platz 16 wurde es am Ende für einen Tanz-Pop-Song mit munterer Klatscheinlage. Wirklich überzeugend war der Beitrag trotzdem nicht.
Eine angenehme Halbfinalüberraschung war der Beitrag Maltas. Ein singender Kinderarzt, der offensichtlich selbst nicht mit dem Weiterkommen gerechnet hatte. So fröhlich wie er war auch sein Song „Tomorrow“. Platz 8 für ihn und seine lustigen Mitstreiter.
Teilnehmer Nr. 10 war Russland. Eine Ballade, und zwar eine der besten! Ein Beitrag, bei dem der Fokus endlich nicht auf dem Kleid lag, dieses war eher unspektakulär, sondern auf der wunderbaren Stimme der Interpretin. Ein verdienter Platz 5 für Dina Garipova.
Dann der deutsche Auftritt. Über Cascada wurde hierzulande lange diskutiert. Von Publikum und Jury rechtmäßig gewählt, wurde die Teilnahme sofort angezweifelt. Es folgten Plagiatsvorwürfe. In Malmö zeigte Frontfrau Natalie Horler sich dennoch souverän und erfahren. Der Auftritt war besser, als es der 21. Platz vermuten lässt. Möglicherweise stimmte hier die Prognose, es würden niemals zwei Dance-Songs hintereinander gewinnen. Dass es dafür einen Waldelfen-Doppelsieg gab, wird später wieder aufgegriffen.
Als nächstes war Armenien an der Reihe. Eine rockige Ballade, stilsicher vorgetragen, ganz nett. Platz 18 wurde es am Ende.
Nach mehreren Jahren endlich wieder im Rennen waren die Niederlande. Nationsstar Anouk sang von toten Vögeln. Kaum zu merken, während sie lächelnd ihren melodisch extravaganten Song vor sich hin betete. Vielleicht fiel es den meisten gar nicht auf, mit Traurigkeit schaffte man es zumindest auf den 9. Platz.
Vorhang auf für großes Kino! Cezar, der seinen Spitznamen „Graf Dracula“ wohl nie wieder los werden wird, begann, sagen wir, normal. Doch dann die Wendung: Der rumänische Contrateneur setzte zur Kopfstimme an und zog durch! Sein Gesicht verriet einige Anstrengung, einigen Zuschauern ging es nicht anders. Eine weitere Überraschung aus dem Halbfinale landete auf Platz 13.
Direkt aus der Gruft kehrte auch eine Frau auf die große Bühne zurück. Musiklegende Bonnie Tyler. Sicher blutete bei ihrem Auftritt nicht nur mir das Herz. 3 gequälte Minuten für den 19. Platz. Großbritannien setzte nach Blue im letzten Jahr wieder auf einen ihrer Stars. Ohne Erfolg.
Gastgeber Schweden belegte am Ende Platz 14. Sein junger Vertreter Robin Stjernberg sang den Titel „You“. Vor allem im Refrain ein Song, der einen packen kann.
Ruhigere Töne schlug dann die Gruppe ByeAlex aus Ungarn an. Viel ruhigere. Es war schon irgendwie niedlich, wie verloren der Sänger mit seiner Mütze und der großen Brille auf der Bühne stand. Aus Deutschland gab es 12 Punkte, denn das Lied, obwohl auf der Heimatsprache und insgesamt wenig abwechslungsreich, überzeugte dennoch. Platz 10 und damit das Schlusslicht der Top 10.
Startnummer 18 gewann den ESC 2013 mit Ankündigung. Allerdings war es nicht Dänemark selbst, das im Voraus so große Töne spuckte, sondern eine Menge Beobachter. Und sie sollten Recht behalten. Emmelie de Forest kam, sang und siegte. „Only Teardrops“, vorgetragen im uanuffälligen Kostüm und barfuß… Kennen wir das nicht? Genau, wir kommen zum Waldelfen-Revival. Während doppelte Disco-Beats das Publikum nerven, scheint der Vorjahres-Sieger-Look sich in den Köpfen als trophäenwürdig eingebrannt zu haben. Die Leistung der Dänin war definitiv gut. Die Top 3 aus diesem Jahr lagen allerdings nicht so weit auseinander, wie es in Vorjahren der Fall war. 281 Punkte zu 234 des zweiten und 214 des dritten Platzes.
Nach der Favoritin trat der ruhigste Männer-Beitrag des Abends an: Eythor Ingi Gunnlaugsson aus Island. Obwohl er aussah wie einer typischen Metalband entsprungen, schlug er sanfte Töne an. Mit seiner Ballade in Heimatsprache wurde er zu meinem persönlichen Liebling; landete aber leider nur auf dem 17. Platz.
Aserbaidschan präsentierte einen Mann im Glaskasten, in Zusammenarbeit mit Interpret Farid Mammadov entstand so eine spannende Spiegelnummer. Fast hätte Baku sein Stadion ein weiteres Mal nutzen können. Die tolle Performance brachte den Silberrang ein.
Auf der Aftershowparty wird daher viel Alkohol geflossen sein. Sollte Griechenlands Liedtext Wahrheit werden, völlig umsonst. „Alcohol is free“, ein Titel mit Spaßfaktor. Lustige Griechen, die mit ihrer Ouzo-Traumvorstellung das Publikum beeindruckten. Platz 6.
Auf Startrang 22, Lenas Siegernummer, trat Zlata Ognevich für die Ukraine an – meine Favoritin. Dass sie sich vom größten Mann des Landes auf die Bühne tragen ließ, war eher unnötig. Die stimmliche Leistung überzeugte dafür umso mehr. „Gravity“ heißt das Lied, das den 3. Platz einbrachte. Eine weitere Elfe auf dem Podest.
Nächster Big Five bitte. Italien schickte einen Solisten mit Haartolle auf dem Kopf. Nettes Lied, solider Auftritt. Mit dem 7.Platz bester der 5er-Truppe.
Norwegen entging nur knapp dem Treppchen. Margaret Berger, ehemaliges Castingshowsternchen, errang den 4. Platz mit ihrem Song „I feed you my love“. Mit seinen elektronischen Einflüssen hob er sich erfolgreich von der Menge ab.
Das entsprach nicht dem Stil Georgiens. Mit einer Hymne, die gar nicht intensiver auf das typische Song-Contest-Getue abgestimmt werden konnte, trat ein Mann-Frau-Duo an. Statisch und mit dahinplätschernder Melodik, passend zum Titel „Waterfall“. Es wurde der 15. Platz.
Mit Startnummer 26 kommen wir zum Ende und leider auch zum einzigen Kandidaten, der seinen Anfangsplatz behielt; den undankbarsten des Wettbewerbs. Nur 5 Punkte gaben die 39 Länder Ryan Dolan aus Irland, der definitiv nicht der schwächste Teilnehmer war. Somit reiht er sich dieses Jahr hinter den früheren der nordischen 26. ein, die sonst meistens von Großbritannien vertreten wurden.
Generell ein runder Abend ohne Pannen und Totalausfälle. Nur eine Frage bleibt: War wirklich Merkel Schuld am deutschen Ergebnis oder überzeugte das Lied einfach nicht? Die Top-10 wären möglich gewesen, sicher nicht auf den höheren Rängen, aber ein einstelliges Ergebnis wäre schon drin gewesen.
Nicht außer Acht zu lassen ist aber, dass es viel gute Konkurrenz gab. Seien es Stimme, Performance oder das Lied an sich: Viele Interpreten überragten vor allem durch beeindruckende Leistung in einem der Bereiche. Eine durch und durch solide Leistung reichte daher wohl einfach nicht, um sich ins Herzen des Publikums zu singen.
Das nächste Jahr wird kommen und Deutschland als einer der Hauptsponsoren wird wie gewohnt im Finale antreten. Seien wir gespannt, ob der Titel 2014 wieder ins Nachbarland wandert; am besten ins südliche: Zurück nach Deutschland.