Eine Zeitreise mit Nightwish
22 Jahre Bandgeschichte. Das feiern die finnischen Symphonic-Metal-Veteranen nicht nur mit einer weiteren Welttournee, sondern auch mit einem neuen Best-Of-Album. Decades umfasst remasterte Songs aus allen Phasen, die Nightwish mit seinen drei Sängerinnen und stilistischen Veränderungen durchlebt hat. Damit kreiert die Band nicht nur ein nostalgisches Dahinschwelgen für Fans, sondern auch eine wunderbare Einstiegsmöglichkeit für diejenigen, die sich schon immer mal in die variationsreichen Soundwelten der Finnen einhören wollten.

Wann ist der richtige Moment für ein Best-Of-Album? Und braucht man sowas überhaupt? Fanreihen spalten sich bei diesen Fragen schnell in diejenigen, die eh schon alles im Regal haben und eine Veröffentlichung ohne Bonusmaterial als Geldmacherei einschätzen, und diejenigen, die ihre Lieblingsmusiker komme was wolle unterstützen. Der Band selbst bietet eine solche Schöpfung vor allem Momente der Rückbesinnung. So wie es Decades offenbar auch für Songwriter und Keyboarder Tuomas Holopainen tat, der sich in mehreren Videotagebüchern zum Entstehungsprozess des neuen Werkes äußerte.
Nach nunmehr acht Studioalben und in Vorbereitung auf die pünktlich zum Albumrelease beginnende Tournee war es offenbar mal wieder Zeit für ein Resümee. Chronologisch geordnet präsentiert Decades 22 Songs aus 22 Jahren Nightwish. Die musikalische Reise startet mit dem jüngsten Song, dem opulenten 23-Minüter The Greatest Show on Earth aus Endless Forms Most Beautiful (2015), und wird schließlich vom allerersten Demotape Nightwish zu einem nostalgischen Ende gebracht. Dazwischen sind Songs aller Alben zu finden (Überblick am Ende des Artikels), womit die Platte die bisher umfassendste Sammlung an Nightwish-Klassikern bietet.
Vorgänger waren etwa Tales from the Elvenpath, das 2004 rückwirkend von Nightwishs früherem Label Drakkar herausgebracht wurde, oder Highest Hopes aus dem Jahr 2005, das das Ende der Zusammenarbeit mit der ersten Sängerin Tarja Turunen besiegelte. 2011 versuchte man es dann noch mit einer Zusammenfassung der größten Balladen auf Walking in the Air. Vielleicht als Vorbereitung auf das ganz anders gestrickte Soundtrack-Werk Imaginaerum, das knapp ein halbes Jahr danach erschien.
Sieben der Songs auf dem aktuellen Album, darunter wahre Klassiker wie Nemo oder Sacrament of Wilderness, waren bereits auf Highest Hopes zu finden, das in Finnland Doppelplatin erhielt.
Zum Zwecke der Neuveröffentlichung wurden alle auf Decades enthaltenen Tracks remastered, nicht etwa neu aufgenommen, was nach den gelungenen Live-Auftritten mit Frontfrau Floor Jansen in den letzten Jahren auch eine gute Möglichkeit gewesen wäre, die ausgewählten Highlights der Bandgeschichte in ein neues Licht zu rücken. Vielleicht sogar ein besserer? Große Unterschiede sind zwischen alten und neuen Version zumindest bei der Wiedergabe auf Laptop und Smartphone, wie es wohl die meisten konsumieren werden, nämlich nicht zu hören. Vor allem bei den älteren Hits wirken die Klänge teilweise etwas klarer und die einzelnen Instrumente treten deutlicher hervor. Groß verändert hat sich aber nichts. Lediglich End of all Hope sticht deutlich hervor: Bei dem Song hat sich in der neuen Version eine halbe Extraminute dazugesellt – geschaffen durch ein längeres Intro und einen kleinen Schlenker der gut herausgearbeiteten Gitarren, den es so im Originaltrack nicht gibt.
Die Entscheidung, alles beim Alten zu belassen, trafen die Finnen bewusst. „Die Songs sind, was sie sind. Sie sind in ihrer Unvollkommenheit absolut vollkommen und reflektieren die Ära, in der sich die Band zu dem jeweiligen Zeitpunkt befunden hat. Ich würde es als Sakrileg empfinden, die Tracks im Nachhinein noch zu verändern“, sagte Tuomas Holopainen dazu. Diesen Weg noch einmal zu gehen, auch während der Erarbeitung der Inszenierungen für die kommende Welttour, war für das Team ein besonderer Moment. „Wir würden solche Lieder heute nicht mehr schreiben, aber damals repräsentierten sie uns; das waren wir und das war, was wir machen wollten. Dieses Gefühl ist ergreifend und ich denke, wir können sehr stolz darauf sein.“
Auch wenn Nightwish mit einem Best-Of-Album natürlich keine großen innovativen Sprünge machen kann, bietet Decades einen guten Überblick über die Entwicklung einer Band, die ein gesamtes Genre bis heute prägt. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Truppe zu den Entscheidungen der Vergangenheit steht – sei es das (leider of belächelte) Engagement von Annett Olzon im starken Kontrast zur ersten Sängerin Tarja Turunen oder die Schöpfung eines stilistisch viel schnörkelloserem Konzeptalbum wie Endless Forms Most Beautiful im Jahr 2015. Diese Orientierung wird sich wohl auch durch die Live-Shows ziehen, die nach dem Auftakt in Nordamerika ab Mai in Europa fortgesetzt werden. Neun Deutschlandtermine, darunter der 06. November in Hamburg, stehen dabei auf dem Plan. Und bei dieser Gelegenheit können die Fans die Songs dann auch mit Floor Jansens Stimme bewundern.

Das neue Album Decades ist am 09. März 2018 erschienen. Hier könnt ihr es, genauso wie die Alben in der folgenden Übersicht, ganz einfach über backstagereports Amazon-Partnerlink bestellen:
Die Songs auf Decades
Um deutlich zu machen, welchem Album welcher Song entnommen wurde, findet ihr hier eine Übersicht der einzelnen musikalischen Etappen. Songs, die (teilweise bereits leicht verändert) schon auf Highest Hopes zu hören waren, sind hervorgehoben.
Endless Forms Most Beautiful (2015)
1. The Greatest Show on Earth
2. Élan
3. My Walden
4. Storytime
5. I Want My Tears Back
6. Amaranth
7. The Poet And The Pendulum
8. Nemo
9. Wish I Had An Angel
10. Ghost Love Score
11. Slaying The Dreamer
12. End Of All Hope
Over The Hills And Far Away EP (2001)
13. 10th Man Down
14. The Kinslayer
15. Dead Boy’s Poem
16. Gethsemane
17. Devil & The Deep Dark Ocean
18. Sacrament of Wilderness
19. Sleeping Sun
20. Elvenpath
21. The Carpenter
22. Nightwish (Demo)
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Wurde grad bei der Auflistung etwas nostalgisch und bekam Herzklopfen. Century Child kam grad neu raus als ich mit Nightwish anfing. End of All Hopes war das letzte Album das ich gekauft habe, aber grad Wishmaster und Oceanborn hab ich geliebt.