Katatonia am 25. Oktober in der Markthalle

Melancholie mit Vorband-Feuerwerk

Willkommen in der Dauertristesse! Wer in Hamburg lebt, weiß, dass in der schönsten Stadt der Welt in Sachen Wetter eher selten von einem „Goldenen Herbst“ die Rede sein kann. Stattdessen kommen momentan eher Graufetischisten und Melancholiker mit Hang zu vorgezogenen Winterdepressionen auf ihre Kosten. Einen idealeren Zeitpunkt hätten sich Katatonia daher kaum aussuchen können, um im Rahmen ihrer „Fallen Hearts of Europe“-Tour schwermutwilligen Metalheads den passenden Soundtrack zu liefern.

Ester Segarra
©Ester Zegarra

Ein Konzertbericht von André Kummer

Katatonia haben sich in ihrer langjährigen Karriere eine treue Fanbase erspielt und verbuchen mit ihrem aktuellen Album „The Fall of Hearts“ hierzulande den bislang größten kommerziellen Erfolg. Daher verwundert es auch kaum, dass die Markthalle an diesem Dienstagabend fast ausverkauft ist. Davon profitieren auch die beiden Support-Bands Vola und Agent Fresco, denn pünktlich um 20:00 Uhr tummeln sich grob geschätzt bereits etwa 600-800 Zuschauer in der Halle. Und die bekommen mit dem dänischen Opener Vola gleich ein überraschendes Highlight serviert.

Frei nach dem Motto „Bloß keine Zeit verlieren“ legen Sänger Asger Mgind und Gefolge ein 30-minütiges Set auf die Bretter, welches die Qualitäten ihres Debütalbums Inmazes perfekt widerspiegelt. Großartige Melodien treffen hier auf Progressive Rock, Idustrial und heftige Djent-Attacken. Gepaart mit einem ebenso glasklaren wie druckvollen Sound und nicht zuletzt der extrem sympathisch wirkenden Truppe trifft diese Kombination offenbar genau den Nerv der Anwesenden, die Vola am Ende standesgemäß abfeiern.

14958385_10205939117877457_1223444388_nDoch die Messlatte für den Headliner soll in den anschließenden knapp 40 Minuten weiter in die Höhe steigen. Denn auf den exzellenten Auftakt von Vola folgt ein noch besseres Zwischenspiel von Agent Fresco. Wem die Isländer bisher unbekannt sind, sollte diese musikalische Bildungslücke dringend schließen. Agent Fresco klingen wie eine Math-Rock-Mischung aus Dredg und Tool. Mal hart, mal nahe am Kitsch, aber immer auf unglaublich hohem musikalischem Niveau. Das beweisen die Multiinstrumentalisten auf der Bühne eindrucksvoll. Sänger Arnór Dan Arnarson trifft trotz Duracel-Hasen-Performance jeden Ton und lässt dabei selbst seine Kopfstimme problemlos in himmlische Höhen steigen. Bei der energiegeladenen Show geben sich echte Gänsehautmomente mit aggressiven Ausbrüchen die Klinke in die Hand. Das Publikum frisst Agent Fresco gegen Ende des Gigs quasi aus der Hand und fordert lautstark Zugabe. Eine Ehre, die bei Weitem nicht allen Vorbands gegönnt ist, aber in diesem Fall mehr als verdient.

14877655_10205939120597525_1816373882_nRein objektiv betrachtet können Katatonia nach diesem Doppel-Paukenschlag eigentlich nur verlieren. Denn als alles nieder wälzende Live-Macht waren Frontmann Jonas „Lord Seth“ Renkse und seine Jungs noch nie bekannt. Tatsächlich entpuppen sich die Schweden von Beginn ihres Sets als kompletter Gegenentwurf zu den Support-Bands. Besonders Renkse gibt sich arg introvertiert, verweigert konsequent überflüssige Bewegungen und versteckt sein Antlitz permanent hinter einem Haarvorhang. Eingehüllt ist das Ganze in eine betont düstere Lightshow, welche die Fotografen in den Wahnsinn treiben dürfte. Das passt natürlich zur melancholischen Grundstimmung von Katatonia, doch auf Dauer wirkt es im Live-Kontext tatsächlich etwas zu monoton. Musikalisch kann man der Band dagegen kaum einen Vorwurf machen. Technisch perfekt und tight gibt es einen rund 90-minütigen Querschnitt durch die Diskografie der Band, wobei allerdings eher die jüngeren Alben im Fokus stehen. Die Fans sind am Ende jedenfalls mehr als zufrieden.

Insgesamt betrachtet kann sich wohl niemand über diesen Konzertabend beschweren: top Sound, super Stimmung, zwei Support-Acts, die locker selbst auf Headliner-Tour gehen könnten und ein Hauptact, der trotz kleiner Abzüge in der B-Note überzeugt hat. Quasi das perfekte Mittel gegen Dauertristesse!

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